Deutscher Gewerkschaftsbund

17.03.2021

Give me a break! Schlagfertigkeitstipps gegen Sexismus im Alltag

von Julia Bringmann, Cosima Langer und Nils Teichler
Empowerment

DGB/123rf.com/undrey

Ein Spruch kommt schnell und dann ist es auch schon vorbei, du bist sauer und überlegst dir tagelang einen guten Konter. Was braucht es um die Schreckenssekunde zu überwinden? Viel Übung + ein gutes Gefühl für die Situation + Mut + danach: Austausch mit Anderen. Spoiler: Dabei kommt nicht immer ein schlagfertiger Konter raus!

"Pause drücken"

Wir (Julia, Cosima und Nils) geben seit einigen Jahren Schlagfertigkeitstrainings gegen Sexismus und Rassismus. Auf unserem Instagram-Kanal und unter dem Beitrag findest du Sprüche, die uns häufig begegnen und inspirierende Reaktionen darauf. In diesem Text wollen wir die "Pause-Taste" drücken und genauer hinschauen. Sexismus zeigt sich ständig, mal ganz leise und mal unübersehbar: In der Kneipe mit Freund*innen, im Internet oder auf der Straße und natürlich auf Arbeit!

Das Gegenüber zählt!

Wer einen sexistischen Spruch bringt ist entscheidend für deine Reaktion. Wichtig für deine Einschätzung des Gegenübers sind dabei diese drei Punkte:

  1. Persönliche Beziehung: Wenn du einen Spruch in der U-Bahn hörst, hast du weniger Zeit dir eine Reaktion zu überlegen - aber kannst dich mehr trauen, du sieht die Person ja nie wieder. Bei dem nervigen Kollegen hast du quasi jeden Tag Zeit mit Deinen Reaktionen zu experimentieren. Je näher dir die Person steht, desto wichtiger ist Deine Meinung.
  2. Grad der Überzeugung: Wir leben in einer sexistischen Welt, trotzdem kann die Motivation Deines Gegenübers sehr unterschiedlich sein. Manchmal lohnt es sich zu diskutieren, um die Welt gemeinsam besser zu verstehen. Manchmal hast du es mit krassen Machos zu tun, die ihre frauenverachtende Weltsicht so schnell nicht ändern werden. Dann reicht auch ein Kopfschütteln und weggehen. Also überleg dir - welches Potenzial gibt es hier wirklich?
  3. Adressat*innen und Zuhörer*innen: Bist du allein mit deinem Gegenüber oder sind andere da, die dich unterstützen können? Vielleicht ist es dir sogar wichtiger, dass die Kolleg*innen deine Reaktion mitbekommen und von deinem Gegenüber erwartest du kein Gespräch? Deine Aktion kann sehr empowernd für andere sein, ohne dass du davon je erfahren wirst :)

Deine Reaktionen werden auch auf Gegenwehr stoßen und häufig nicht nur positiv aufgenommen werden. Pass auf dich und andere auf!

Bring it on!

Erstaunlich viele Leute wissen nicht, wie scheiße sich Sexismus im Alltag anfühlt. Jede noch so kleine Nachhilfe, kann die Welt für dich und andere etwas angenehmer machen.

Die Ziele deiner Aktion können dabei ganz unterschiedlich sein: einfach widersprechen, deine Meinung sagen, jemandem, der dir wichtig ist geduldig erklären, was dein Problem damit ist.

Je nach Spruch und Situation, dem Ort und deinem Gegenüber hast du unterschiedliche Handlungsoptionen. Bist du gut drauf, konter! Hast du ein mulmiges Bauchgefühl oder keine schlagfertige Antwort parat, stelle eine Frage und verschaff dir Zeit! Ist das dein Lieblingsstreitpunkt, diskutier! Musst du dich nur noch rechtfertigen, beende die Diskussion. Kommst du alleine nicht weiter, frag deine Kollegin, was ihr beide das nächste Mal tun könntet! Wird es gefährlich, hau ab. Und vieles mehr...

Auch wenn du eine sexistische Situation mitbekommst, kannst du etwas tun: Frag nach, biete Hilfe an und unterstütze nach Absprache. Manchmal kann es schon helfen eine laufende Situation zu unterbrechen ("Tschuldigung, wo ist denn hier der nächste Geldautomat?"). Pass auf, dass du niemanden mit deinem Eingreifen in eine Situation bringst, die diese Person nicht möchte oder für sie gefährlich werden kann!

Das Wichtigste zum Schluss

Die eine richtige Handlung gibt es nicht. Was für dich in einer bestimmten Situation das Richtige ist, das kannst nur du wissen. Mach dir keine Vorwürfe, wenn du nicht zufrieden warst. Die nächste Situation kommt auf jeden Fall - sad but true.
Also: Mach den ersten Schritt und überwinde die Schrecksekunde - egal was du sagst! Tausch dich mit Anderen über deine Erfahrungen aus. Sexismus und Antifeminismus sind gesellschaftliche Probleme, organisiert euch dagegen!

Hier ein paar Sprüche und Situationen, die uns häufig begegnen und wie du darauf reagieren kannst:

  • #1 Morgens im Umkleideraum der Klinik. Meine Kollegin so: "Ich versteh diesen Gender-Quatsch nicht. Ich als Frau fühle mich nicht benachteiligt."

    Schlagfertiger Konter: "Nice! Gilt halt nicht für alle Frauen - bis dahin gibts noch viel zu tun."

    Positionieren: "Dein sogenannter "Gender-Quatsch" ist superwichtig im Kampf gegen Diskriminierung!"

  • #2 Klatsch und Tratsch beim Mittagessen auf Arbeit. Meine Kollegin so: "Wirst du jetzt die Arbeitszeit reduzieren, nach der Hochzeit?"

    Schlagfertiger Konter: "Ein Mann ist doch keine Altersvorsorge."

    Diskutieren: "Wieso sollte ich das tun?"

  • #3 Beim Aufräumen des Restaurants wird über Politik diskutiert. "Hast Du als Frau keine Angst, wenn jetzt immer mehr Flüchtlinge aus dem arabischen Raum kommen?"

    Schlagfertiger Konter: "Da habe ich wesentlich mehr Angst, wenn ich in deutsche Bierzelte gehe."

    Diskutieren: "Wie kommst du darauf?"

  • #4 Supermarkt, 7 Uhr morgens, schwere Ware wird im Lager ausgepackt. Mein Chef so: "Schätzchen, lassen Sie das mal die Männer machen."

    Schlagfertiger Konter: "Ich fänd's eigentlich schöner, wenn ich auspacke und Sie mein Mittagessen kochen."

    Diskutieren: "Wie meinen Sie das?"

    Verbündete suchen: Ich sage nichts und frage meine Kollegin danach, ob der Chef ihr sowas auch schon mal gesagt hat.

  • #5 Ein Kollege kündigt an, dass er den Job verlässt. Er möchte für ein Jahr Hausmann und Vater sein, während seine Frau arbeitet. Mein Kollege so: "Da sieht man ja wer bei euch das sagen hat. Das würde ich mir nie bieten lassen."

    Schlagfertiger Konter: "Du bist wohl in den 50er Jahren hängen geblieben, was?"

    Diskutieren: "Du denkst also, ich kann nicht für meine Kinder da sein?"

  • #6 Es wird über die Nachfolge der Geschäftsführung diskutiert. Die aussichtsreiche Kandidatin ist gerade nicht dabei. Ein Kollege, der den Posten auch gerne hätte: "Die ist Ende 20 und hat noch keine Kinder. Die fällt doch eh aus, sobald sie den Posten hat. Dann haben wir den Salat."

    Positionieren: "Mal abgesehen davon, dass du das gar nicht weißt, ob sie überhaupt Kinder möchte ist, das echt diskriminierend von dir! Frauen können auch Karriere und Familie wollen."

    Schlagfertiger Konter: "Und du, willst du für deine Kinder da sein?"

  • #7 Weihnachtsfeier im Betrieb. Ein Kollege reißt einen Witz in großer Runde: "Ist ja doch ein ganz netter Abend. Ich dachte, die Weihnachtsfeiern werden jetzt ganz fad seit #MeToo."

    Schlagfertiger Konter: "Schön, dass du jetzt Frauen auch in die Augen sehen kannst."

    Diskutieren: "Erzähl doch mal, was hat #MeToo für dich verändert?"

    Abbrechen: "Autsch." und weggehen.

  • #8 Bei der Teamsitzung, kurz vor dem Meeting. Mein weißer Kollege so: "Diese ganzen Förderprogramme für Minderheiten sind echt unnötig. Ich fühle mich diskriminiert. Wir haben doch schon Gleichstellung." * Stille im Raum *

    Schlagfertig: "Tschuldigung, hat jemand ein Taschentuch, ich muss mir meine Tränen wegwischen."

    Positionieren: "Das geht an meiner Realität vorbei."

  • #9 Mal wieder Fußballweltmeisterschaft der Männer. Mein Kollege so: "Ich bin ja kein Sexist, aber Frauenfußball ist einfach deutlich langsamer und langweiliger als Männerfußball. Da sieht man doch die biologischen Unterschiede."

    Schlagfertig: "So unter Nicht-Sexisten muss ich dir sagen, deine Aussage gerade war trotzdem sexistisch."

    Diskutieren: "Überleg mal, seit wie vielen Jahrzehnten Massen an Geld in die Nachwuchsförderung von Männerfußball fließen..."

Julia, Nils und Cosima leiten seit 2016 Workshops gegen Rassismus, Sexismus und Antifeminismus, die den Alltag umkrempeln. Unter anderem für das Bündnis Aufstehen gegen Rassismus, die Heinrich-Böll und die Rosa-Luxemburg Stiftung. Hauptberuflich arbeiten sie als wissenschaftliche Mitarbeiter*innen zu Prekarität und Guter Arbeit.

Kontakt: anti-sexismus@posteo.de

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