Auf dem Arbeitsmarkt stehen Frauen heutzutage Männern in nichts nach. Sie können sogar prozentual öfter einen Universitäts- oder Hochschulabschluss vorweisen. Ihre gute Ausbildung ermöglicht ihnen mittlerweile eine fast gleichberechtigte Teilhabe am Erwerbsleben. Wenn es darum geht wichtige Entscheidungen zu treffen, die das ganze Unternehmen betreffen, hört man aus den Büros der Chef_innenetage jedoch oft nur männliche Stimmen. Frauen? Fehlanzeige. Warum ist das so?
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Die Arbeitsrealität zeigt es: In Betrieben und Verwaltungen verteilen sich Frauen und Männer ungleichmäßig auf die verschiedenen hierarchischen Ebenen. In Posten mit hoher Entscheidungsmacht und großer Verantwortung, sogenannten Führungspositionen, sind prozentual fast nur Männer vorzufinden, Frauen hingegen sind enorm unterrepräsentiert. 2014 waren nur rund 6 Prozent der Führungspositionen in den 160 größten deutschen börsennotierten Unternehmen mit Frauen besetzt.
Diese ungleiche Verteilung von Frauen und Männern innerhalb mehrerer Hierarchieebenen wird auch als vertikale Segregation des Arbeitsmarktes bezeichnet.
1. Der Gender Gap bei Führungspositionen kennt keine Branchen
Klar ist, dass die dünne Repräsentation von Frauen in Führungsebenen ein branchenübergreifendes Phänomen darstellt. Das betrifft auch Branchen in denen eigentlich ein ausgewogener Anteil von Männern und Frauen vorherrscht, wie z. B. im Finanz-/Versicherungsdienstleistungssektor. Dort liegt der Frauenanteil unter den Beschäftigten bei rund 55 Prozent, der Frauenanteil an Führungspositionen jedoch lediglich bei 11 Prozent.
2. Frauendominierte Branchen haben männerdominierte Führungsetagen
In Branchen, in denen Frauen die (große) Mehrheit der Beschäftigten stellen, ist es für weibliche Beschäftigte vergleichsweise häufig möglich eine höhere hierarchische Ebene zu erreichen. Auffällig ist jedoch, dass dies nicht der Fall auf den höchsten Entscheidungsebenen ist. Hier sind Frauen, ihrem eigentlichen Anteil entsprechend, stark unterrepräsentiert.
Dies ist beispielsweise in der Branche „Gesundheit, Erziehung und Bildung“ der Fall, in der 76 Prozent der Beschäftigten weiblich sind, diese aber in den Führungsetagen von gerade mal 46 Prozent Frauen repräsentiert werden.
3. Frauen in Führungspositionen werden schlechter bezahlt
Frauen und Männer verdienen nicht das Gleiche für gleiche und gleichwertige Arbeit, diese Tatsache beschreibt der Gender Pay Gap. Dieser Verdienstnachteil wirkt sich in leitenden Stellungen für Frauen besonders negativ aus. Hier ist der Verdienstabstand mit 21,3 Prozent noch größer als in den Bereichen unterer oder mittlerer Qualifikation. Karriere ist für Frauen somit finanziell gesehen nicht so lukrativ wie für Männer.
Trotz weniger Ausnahmen ist es für Frauen heutzutage schwer möglich Zugang zu den höchsten Führungsebenen zu bekommen. Oft spricht man bei diesem Phänomen auch von der „gläsernen Decke“. Das heißt, erwerbstätige Frauen steigen nur bis zu einem gewissen Punkt auf der Karriereleiter auf, doch irgendwann passieren nur noch Männer. Doch wie kann es bei gleicher Qualifizierung soweit kommen? Dafür gibt es vielfältige Gründe.
Die Gründung einer Familie oder die Pflege von Angehörigen hat Auswirkungen, vor allem auf die Erwerbsverläufe von Frauen. Allein aufgrund einer Schwangerschaft fallen Frauen für eine gewisse Zeit auf der Arbeit aus. Da bis heute die Sorgearbeit und vor allem die Pflegearbeit hauptsächlich Frauen übernehmen, geht die „Pause“ auch oft über ein Jahr hinaus. Der Wiedereinstieg in das Erwerbsleben erfolgt danach oft über eine Teilzeitstelle, um Vereinbarkeitsprobleme (fehlender Kitaplatz, keine Ganztagsbetreuung etc.) abzufedern. Partnerschaftliche Vereinbarkeitslösungen sucht man vielfach vergeblich.
Da oft fast ausschließlich Männer die Führungsebene stellen, sind nicht nur die Bedingungen für einen Karriereaufstieg, sondern auch die Anforderungen an eine Führungskraft stark an „männlichen Gesetzen“ orientiert. Vielmals werden in Deutschland Führungsposten noch nach folgenden Kriterien besetzt: Dem Bildungsstand (Ausbildung) der in Frage kommenden Person, der bisher erworbenen Berufserfahrung, der Länge der Betriebszugehörigkeit, eine möglichst lückenlose Erwerbstätigkeit, einer Vollzeitbeschäftigung und einer hohe Opferbereitschaft.
Da Frauen aufgrund von (un)freiwilligen Erwerbsunterbrechungen viele dieser Anforderungen nicht erfüllen können, bleibt für sie eine leitende Stellung oft eine schöne Aussicht, aber unerreichbar.
Forschungsergebnisse zeigen, dass Frauen in Führungspositionen für ihre Stellung vielfach privat Abstriche machen mussten. Nur wenige sind verheiratet und 77 Prozent der Frauen in Führungspositionen sind kinderlos.
Idealbilder von Führungskräften sind bis heute noch sehr stark mit Stereotypen verbunden. Eigenschaften wie Durchsetzungskraft, Aggressivität, Dominanz oder Eigeninitiative vermitteln Führungskompetenz und werden vor allem Männern zugeschrieben. Aufgrund der klischeehaften Zuschreibung anderer charakterlichen Eigenschaften für Frauen (weich, rücksichtsvoll, emotional, teamorientiert), unter welche die eben genannten „Führungseigenschaften“ nicht zählen, traut man Frauen Führungspositionen dementsprechend oft nicht zu.
Das psychologische Phänomen, das unter dem Begriff „homosoziale Rekrutierung“ geführt wird, besagt, dass bei der Besetzung von offenen Stellen gerne die Personen eingestellt wird, die aus einem „sozial ähnlichen“ Kontext kommt. Dadurch sorgen die vielen männlichen Führungskräfte dafür, dass auch ihre Nachfolger_innen tendenziell männlich sind.
Vorbilder inspirieren, regen an, motivieren und vor allem: unterstützen. Da Frauen nahezu kaum in den höchsten Hierarchieebenen aufzufinden sind, fehlt weiblichen Beschäftigten oft diese Inspiration, die sie ermutigt den manchmal auch schweren Weg nach oben trotz Hindernissen zu wagen.
Deutlich wird, dass vor allem Geschlechterstereotype nicht nur die Berufswahl, sondern auch die Aufteilung von Erwerbs-, Sorge- und Pflegearbeit beeinflussen. Da sich diese Art von Rollenverteilungen schon seit Jahrzehnten etabliert hat, hat sich in Unternehmen, in Verwaltungen und in der Politik eine Arbeitszeitkultur des Aufstiegs (Vollzeit, Präsenz zeigen, Überstunden schieben) entwickelt, die Frauen strukturell benachteiligt. Diese Kombination führt zur vertikalen Segregation und zu einer großen Unzufriedenheit, da diese Strukturen den Wünschen und Bedürfnissen der Frauen in keiner Weise gerecht werden.
Solange es bezüglich der Geschlechterrollen und der gängigen Arbeitszeitkultur kein Umdenken gibt, bleiben Frauen bei der Verteilung von Entscheidungspositionen in Wirtschaft und Politik zurück. Deshalb brauchen wir einen Kulturwandel!
Denn eine Steigerung des Frauenanteils in den Führungsetagen führt nicht nur zu mehr Chancengleichheit allgemein und zu einem Abbau von vorherrschenden Geschlechterstereotypen. Arbeitgeber_innen können ebenso von einer steigenden Attraktivität des Unternehmens oder der Verwaltung für Bewerber_innen sowie positiver Auswirkungen auf den Unternehmens- und Arbeitserfolg profitieren.
Um den bisher sehr langsamen Wandel voranzutreiben, hat sich die Regierung durch die Verabschiedung der Frauenquote im Jahr 2015 klar für eine höhere Repräsentation in den höchsten Führungsebenen der börsennotierten und mitbestimmten Unternehmen ausgesprochen und den dafür notwendigen gesetzlichen Rahmen geschaffen. Jedoch können gesetzliche Quotenregelungen nur einen Teil bewirken. Eine wichtige Rolle nehmen ebenso betriebliche Regelungen ein, die einerseits Frauen explizit fördern, andererseits die vorherrschenden Arbeitsbedingungen verbessern können, sodass eine funktionierende Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf gewährleistet wird.
Autorin: Siglinde Peetz