- Kein Sexismus am Arbeitsplatz: Intro
- Kein Sexismus am Arbeitsplatz: Was ist sexuelle Belästigung?
- Kein Sexismus am Arbeitsplatz: Das kannst du gegen sexuelle Belästigung tun!
"Studien belegen, dass mindestens jede*r vierte Angestellte bereits sexuelle Gewalt, Belästigung und Diskriminierung an der Arbeitsstelle erlebt hat – diese Form der Diskriminierung stellt damit zweifellos ein gesamtgesellschaftliches Problem dar",
steht auf der Webseite des 2019 gestarteten Projekts „make it work! Für einen Arbeitsplatz ohne sexuelle Diskriminierung, Belästigung und Gewalt“. Das Projekt „make it work!“ will in Anschluss an die #MeToo-Bewegung und die deutsche #aufschrei-Debatte, den Umbruch hin zu einer gewalt- und diskriminierungsfreieren Arbeitskultur mitgestalten. Aus diesem Feminar geht ihr also mit handfestem Rüstzeug gegen sexuelle Belästigung am Arbeisplatz raus.
Sexismus am Arbeitsplatz kennt sehr viele Formen und passiert auf unterschiedlichen Ebenen. Dabei werden gesamtgesellschaftliche (Ungleichheits-)Verhältnisse und Diskriminierungsformen an dem Ort, der uns zur Existenzsicherung und Selbstentfaltung dient, gespiegelt. Sexismus äußert sich am Arbeitsplatz durch ungleiche Leistungsbewertung und ungleiche Löhne, unzureichende Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, als auch durch sexistisches Verhalten, dass sich z.B. durch Sprüche, Kommentare oder andere Grenzüberschreitungen zeigt. All dies sind Formen der Machtausübung und sollen v.a. Frauen einschüchtern und buchstäblich „an ihren Platz verweisen“.
Sexualisierte Belästigung beginnt also nicht erst bei körperlich übergriffigem Verhalten und ist eine Form von Gewalt – mit massiven Folgen für die Betroffenen. Wenn in diesem Feminar also von Belästigung gesprochen wird, ist auch immer sexualisierte Gewalt gemeint.
Auch nach #metoo ist Sexismus und sexualisierte Gewalt am Arbeitsplatz noch immer ein tabuisiertes Thema, über das ungern gesprochen wird. Das führt unter anderem dazu, dass Betroffene nicht wissen, ob das, was ihnen passiert ist, wirklich „Belästigung“ ist, wie sie damit umgehen und an wen sie sich evtl. wenden können. Handlungsmöglichkeiten für Betroffene und solidarische Kolleg_innen sind stark davon abhängig in welcher Situation die betroffene Person ist und welche psychischen und beruflichen Folgen die Belästigung für sie hat.
Studien (zum Beispiel die Studie „Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz - Lösungsstrategien und Maßnahmen zur Intervention“) haben herausgefunden, dass sexualisiere Belästigung zwar überall stattfindet, die Beschäftigten der Gesundheitsberufe jedoch besonders häufig betroffen sind. Auszubildende, Praktikant_innen und Berufseinsteiger_innen sind dabei in einer besonders verletzlichen Situation, da sie in einem ganz anderen Maße abhängig von Arbeitgeber_in und älteren Kolleg_innen sind.
In dem Beispiel geht es um Martina (19 Jahre), die gerade im ersten Jahr ihrer Pflegeausbildung an einem Klinikum ist und ihren Kollegin Markus (35 Jahre), der im Team sehr beliebt, aber bekannt für seine „Annäherungsversuche“ bei jungen Kolleginnen ist. Kolleg_innen und Vorgesetzte sagen über ihn, dass er „das nicht so meint“. Sein Verhalten ist bisher sanktionsfrei geblieben.
Ein Beispiel: Martina bemerkt, dass Markus ihr für ihr Gefühl oft zu nah kommt. Es fühlt sich einfach komisch an, im Pausenraum, aber auch in den Patient_innenzimmern – Martina versucht Distanz zu schaffen, Markus interessiert das aber überhaupt nicht. Irgendwann beginnt Markus Bemerkungen zu ihrem Aussehen und ihrer Kleidung zu machen („Du hast heute die Haare offen, das sieht aber hübsch aus!“). Martina fühlt sich zunehmend unwohl und hofft, dass Markus schon irgendwann damit aufhören wird, wenn sie seine Kommentare ignoriert und körperliche Distanz zu ihrem Kollegen wahrt. Gleichzeitig erzählt sie niemandem von dem, was bei der Arbeit passiert, auch weil sie nicht weiß, wie sie reagieren oder an wen sie sich wenden soll.
Nach einigen Wochen ist Martina alleine im Pausenraum, als Markus reinkommt, die Tür hinter sich schließt und ihr mit den Worten „Wir sollten uns besser kennenlernen!“ den Arm um die Schulten legt. Martina ist absolut wütend, aber gleichzeitig wie versteinert: sie kann nichts sagen und erst als eine Kollegin den Raum betritt, springt sie auf und läuft aus dem Raum. Am nächsten Tag lässt Martina sich krankschreiben.
Was ist also passiert? Ein übergriffiges Verhalten in Form von körperlicher Nähe, die nicht gewünscht ist und in Form von sexualisierten Kommentaren, die für den Arbeitsort absolut unpassend sind, bis hin zu einem körperlichen Übergriff im Pausenraum.
Was ist bei Martina passiert? Sie ist verunsichert und weiß nicht, wie sie die Geschehnisse einordnen soll und macht sich Vorwürfe, dass sie etwas falsch gemacht hat.
War das jetzt Belästigung? Ja! Das, was Markus gemacht hat ist: Machtausübung und Einschüchterung.
Denn Martina fühlt sich unwohl. Sie merkt, dass ihre persönlichen Grenzen überschritten sind und dass Markus Verhalten nicht in Ordnung ist. Das alles sind bereits Merkmale von sexualisierter Belästigung.
Laut Definition des AGG ist sexuelle Belästigung ein „unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, das bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird.“ (§3 Absatz 4 AGG). Das Gesetz definiert sexuelle Belästigung als verbale, non-verbale und physische Übergriffe und bezieht sich zudem auch auf das subjektive Empfinden der belästigten Person und nicht nur auf die Absicht der belästigenden Person.
Es ist entscheidend, ob die Würde dieser Person verletzt ist, präziser gesagt, ob die betroffene Person ein Gefühl der Herabsetzung, Erniedrigung oder Einschüchterung erlebt.
Martina hat sich krankgemeldet und bemerkt körperliche Beschwerden infolge dieses Vorfalls im Pausenraum: Schlafprobleme, Kopfschmerzen und Panikattacken, wenn sie daran denkt am nächsten Tag wieder auf die Station zu müssen. Ihr wird schlecht, weil sie Markus dort wiedersehen und mit ihm arbeiten muss. Ihre Vorgesetzt fragt, ob sie überhaupt ganz bei der Sache sei – denn Martina ist unkonzentriert und fühlt sich bei der Arbeit nicht mehr wohl. Martina überlegt ihre Ausbildung abzubrechen. Sie zieht sich vollkommen zurück, redet aber mit niemandem über den Vorfall. Sie fragt sich, warum sie die Situation nicht „wegstecken“ kann.
Schließlich vertraut Martina sich einer Freundin Merve an. Merve hat eine ähnliche Situation mit ihrem Praktikumsanleiter erlebt und bestätigt Martina darin, dass das Verhalten von Markus nicht okay war und dass es gut ist, dass sie sich Merve anvertraut hat.
Eigentlich sollte Martina sich an ihre Vorgesetzte wenden können. Sie ist jedoch unsicher, ob diese ihr glaubt, denn ihre Vorgesetzte hat eine sehr gute Beziehung zu Markus. Martina selbst ist noch nicht lange in der Klinik und denkt, dass ihre Vorgesetzte sich auf Markus‘ Seite stellen könnte. Martina und Merve entscheiden sich gemeinsam, die Gleichstellungs-beauftragte der Klinik zu kontaktieren.
Die Gleichstellungsbeauftragte fragt Martina, was sie in ihrer Situation braucht. Martina möchte einfach, dass es ihr wieder besser geht, damit sie wieder gerne zur Arbeit gehen kann. Die Gleichstellungsbeauftragte verweist Martina an eine Fachberatungsstelle, in der Martina spezialisierte, kostenlose und vertrauliche Unterstützung erhält. Sie wird über ihre Rechte am Arbeitsplatz informiert und wird darin bestärkt, dass sie keine Schuld an dem trägt, was passiert ist. Hier erfährt Martina auch, dass sie als Auszubildende unter besonderem Schutz steht. Das Klinikum als ihr Arbeitgeber sollte eine Haltung entwickeln, die sexualisierte Gewalt klar untersagt und Maßnahmen umsetzen, um dagegen vorzugehen bzw. diese vorzubeugen.
Martina hat auch das Recht sich offiziell zu beschweren und den Arbeitgeber dazu aufzufordern, Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt zu entwickeln. Dann wird allerdings ein offizielles Verfahren eingeleitet und das Vorgefallene kann nicht mehr vertraulich behandelt werden.
Am Ende entscheidet sich Martina gegen das Gespräch mit ihrer Vorgesetzten. Wie leider so oft entscheidet sie sich dafür den Ausbildungsplatz zu wechseln.
Trotzdem möchte, dass das Thema sexuelle Belästigung an ihrem alten Arbeitsplatz auf den Tisch kommt. Sie spricht mit der Gleichstellungsbeauftragten, die mit dem Auftrag an die Leitung geht, dass alle Führungskräfte und Mitarbeitenden verpflichtende und regelmäßige Schulungen bekommen.
Verunsicherung ist im Falle von Grenzüberschreitungen/sexualisierter Gewalt normal, manchmal dauert es auch, ein Erlebnis zu verarbeiten und zu verstehen, was überhaupt passiert ist. Beratungsstellen können dir zuhören und – wenn du möchtest – gemeinsam mit dir überlegen, was du tun könntest. Es ist in Ordnung, später zu reagieren und sich Handlungsoptionen zu überlegen, wenn die Situation verarbeitet wurde.
Hier stellt sich die Frage: Haben Männer und Frauen unterschiedliche Verständnisweisen darüber, was sie als übergriffig empfinden? Studienergebnisse („Zur "Sexismus-Debatte": Ein Kommentar aus wissenschaftlicher Sicht (Kurzfassung)“) zeigen, dass die Person, die sich übergriffig verhält, es in den meisten Fällen auch weiß. Das genannte „Argument“ ist eigentlich eine Abwertung der Betroffenen, eine Anspielung auf ihre „Empfindsamkeit“, dass ihr Unwohlsein nichts wert ist. Richtig ist aber, dass sobald eine Person ein unangenehmes Gefühl bei einem vermeintlichen „Kompliment“ erfährt, ist es übergriffig und das ist Belästigung.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (kurz AGG) verbietet sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Es schützt Beschäftigte und Auszubildende der Privatwirtschaft und Beschäftigte des öffentlichen Dienstes – im Kontext des Beschäftigungsverhältnisses. Im AGG stehen klar formulierte Pflichten, die durch Arbeitgeber_innen zu beachten und umzusetzen sind, wenn es darum geht Mitarbeiter_innen vor Belästigung und Gewalt zu schützen. Arbeitnehmer_innen werden im AGG verschiedene Rechte am Arbeitsplatz durch das AGG zugesichert. Jedoch sind vielen Arbeitgeber_innen ihre gesetzlichen Pflichten weiterhin nicht bekannt, daher werden Maßnahmen zum Schutz von Mitarbeitenden vor Belästigung kaum in der Praxis umgesetzt. Auch Arbeitnehmer_innen wissen häufig nicht Bescheid, dass sie ein Recht auf einen Arbeitsplatz ohne Belästigung und Gewalt haben. Das Umsetzungsdefizit und fehlende Bewusstsein über die im Gesetz formulierten Arbeitnehmer_innenechte und Arbeitgeber_innenpflichten haben enorme Folgen für die Anwendung des AGG in der Praxis: Eine Studie der Antidiskriminierungsstelle von 2019 (siehe Fußnote 2 auf der ersten Seite) macht deutlich, dass der Rechtsweg seitens Betroffener praktisch nie beschritten wird. Wichtig ist außerdem zu wissen, dass Gerichtsverfahren für Betroffene mit hohen Belastungen verbunden sind. Insbesondere im Fall von Belästigung braucht es eine gute rechtliche Beratung, um einzuschätzen inwiefern rechtliche Schritte (gegen Arbeitgeber_innen) für Betroffene sinnvoll und erfolgreich sein können.
Eine Beschwerdestelle für sexualisierte Gewalt am Arbeitsplatz einzurichten ist Aufgabe des_der Arbeitgebers_in. Das steht im AGG und ist damit gesetzlich vorgegeben. Maßnahmen zum Schutz von Beschäftigten und die Verankerung einer Beschwerdestelle, die als transparente Struktur im Unternehmen gegen Gewalt schützen soll, muss top down implementiert werden. Das AGG gibt es seit 2006 – dennoch hapert es immer noch an der Umsetzung. Der politische Druck auf Arbeitgeber_innen ist noch immer zu gering, als dass sie Ressourcen und Geld investieren, um eine transparente Beschwerdestruktur und Haltung zum Thema sexualisierte Gewalt zu entwickeln und damit ihrer gesetzlichen Verpflichtung aus dem AGG nachzukommen. Das bff kann Arbeitgeber_innen dabei beraten, diese Maßnahmen umzusetzen.
Gleichstellungsbeauftragte haben als vertrauliche Ansprechperson eine Schlüsselfunktion für viele Betriebe und Verwaltungen. Häufig haben sie aber zu geringe Ressourcen, um die nötige Sensibilisierungsarbeit in ihrer Institution leisten zu können. Wenn es keine Gleichstellungsbeauftragte gibt, wurde vielleicht eine vertrauliche Ansprechperson benannt, an die Betroffene sich wenden können. Manchmal ist das z.B. eine Person im Betriebsrat. Du kannst dich also an deinen Betriebsrat wenden und nachfragen! Eine der Kernaufgaben des Betriebsrats ist nämlich die Gleichstellung im Betrieb.
Wenn dein_e Arbeitgeber_in eine_n Gleichstellungsbeauftragte_n benannt hat, an den_die du dich nicht wenden kannst oder willst, sind Fachberatungsstellen auch eine Möglichkeit. Hier werden euch Handlungsoptionen aufgezeigt und auch hier bleibt deinGespräch vertraulich (Links hier auf der letzten Seite).
Jetzt, wo viele Menschen im Zuge der Corona-Pandemie im Home Office arbeiten, kann keineswegs davon die Rede sein, dass sexualisierte Gewalt am Arbeitsplatz aufhört:
Gerade Menschen, die mehrfach diskriminiert werden, erfahren häufiger sexualisierte Gewalt am Arbeitsplatz. Leider gibt es bisher im deutschsprachigen Raum keine repräsentativen Studien zu den Erfahrungen mehrfachdiskriminierter Betroffener von sexualisierter Belästigung. Beispielsweise erfahren Mädchen und Frauen mit Behinderung doppelt so häufig Gewalt wie Frauen und Mädchen ohne Behinderung. Gerade bei Schwarzen Personen und Personen of Color vermischt sich sexualisierte Belästigung häufig mit Exotisierung und anderen rassistischen Zuschreibungen. LSBTI Mitarbeitende erfahren besonders häufig sexualisierte Gewalt am Arbeitsplatz, indem Belästigungen durch queerfeindliches Verhalten Ausdruck findet. Menschen, die mehrfachdiskriminiert sind, betrifft Gewalt am Arbeitsplatz daher häufig in verstärkter Form, indem belästigende Handlungen in Verbindung mit verschiedenen Formen von Diskriminierungen wie etwa Ablismus, Rassismus und Queerfeindlichkeit ausgeübt werden, um marginalisierte Personen am Arbeits- oder Ausbildungsplatz einzuschüchtern und auszuschließen. Grade für mehrfachdiskriminierte Betroffene ist daher vielfach schwerer über ihre Belästigungs- und Gewalterfahrungen zu sprechen und Unterstützung zu finden.
Vorab: es gibt keinen Auftrag an Betroffene, irgendwas von dem zu tun, was Larissa vorschlägt. Im Grunde genommen sind es nämlich die Arbeitgeber_innen, die einen Rahmen schaffen müssen, dass alle Beschäftigten sicher arbeiten können und die für ein respektvolles Arbeitsumfeld sorgen müssen. Die Verlagerung, dass Betroffene in die Verantwortung genommen werden, ist falsch. Larissa gibt jedoch Hinweise, was du tun kannst, um dich zu wehren und wie du etwas gegen das ungute Gefühl tun kannst:
Hör auf dein Gefühl! Wenn du dich unwohl fühlst oder denkst, jemand hat deine persönlichen Grenzen überschritten, musst du dich nicht rechtfertigen. Gehe diesem Gefühl nach und bedenke: du hast nichts falsch gemacht, das Verhalten, mit dem du konfrontiert warst, war falsch!
Wenn es dir möglich ist: verdeutliche der belästigenden Person, dass du das Verhalten nicht tolerierst. Signalisiere, dass du dich mit dem sexistischen Spruch nicht wohlfühlst.
Anstatt eines gewieften Gegen-Kommentars kannst du auch einfach sagen:
„Halte bitte Abstand, ich möchte nicht, dass du mir so nahekommst.“ oder
„Diese Blicke sind mir unangenehm, hör bitte auf, mich so anzusehen.“ oder
„Diese Frage ist mir zu intim, ich möchte mit dir und in diesem Kontext nicht darüber reden.“
Vielen Betroffenen ist eine direkte Reaktion jedoch nicht möglich, weil die Situation sie oft erstmal sprachlos macht. Du kannst deine Reaktion auf eine Situation aber auch später nachholen (ggf. auch schriftlich!) und musst nicht direkt reagieren. Nimm dir dazu vielleicht jemanden mit, die an deiner Seite steht und/oder als Zeuge_in agieren kann.
Dokumentiere die Vorfälle! Schreibe die Situation auf, mache Screenshots von den entsprechenden Nachrichten – dies alles dient als „Beweisstück“, wenn du später vielleicht doch gegen die Person vorgehen möchtest und / oder dich an eine Beratungsstelle wendest.
Es ist sehr wichtig, dass Betroffene nicht das Gefühl haben alleine zu sein. Das solidarische Verhalten von Kolleg_innen kann die Betroffenen bestärken und das belästigende Verhalten sanktionieren und sogar unterbrechen. Schaut also nicht weg! Hört den Betroffenen zu und signalisiert, dass ihr da seid und die Betroffenen nicht alleine lasst. Bennent, was passiert ist: „Das war sexualisierte Belästigung. Dich trifft keine Schuld.“.
Du kannst anbieten: „Wenn du möchtest, können wir uns gemeinsam beraten lassen.“ Hier geht es darum unterschiedliche Handlungsoptionen in einem vertraulichen Rahmen zu entwickeln. Am Ende liegt es aber in der Hand der Betroffenen zu entscheiden, ob und wie sie handeln möchte. Der erste Wunsch bei sehr vielen Betroffenen ist sich erstmal zu stabilisieren. Erst in zweiter Linie, ist es für viele Betroffene wichtig gegen die Belästigung vorzugehen. Das liegt auch daran, dass Betroffene oft keine Unterstützung durch ihren Arbeitgeber_innen erfahren und sich aus guten Gründen nicht geschützt fühlen. Sie nehmen ihr Recht sich um sich selbst zu kümmern wahr, um sich von den Übergriffen zu erholen. Die AGG-Rechte z.B. werden von den meisten Betroffenen nicht genutzt, weil die Verfahren leider schwierig und häufig sehr belastend sind. Arbeitgeber_innen müssen Bedingungen schaffen, damit Betroffene sich sicher und ermutigt fühlen, Belästigungen am Arbeitsplatz anzusprechen.
Das kommt sehr auf den jeweiligen Fall an. Auch Arbeitgeber_innen müssen sich gut informieren und können sich Beratung von Expert_innen einholen. Es geht darum die Situation für die Betroffenen nicht zu verschlimmern. Denn häufig haben sie einen sehr guten Grund nichts zu sagen. Viele befürchten unangenehm vorgeführt, stigmatisiert, beschuldigt oder als Lügner_innen dargestellt zu werden. Spätestens jetzt heißt es für die Leitung: Alarmstufe rot! Höchste Zeit das Personal entsprechend zu schulen.
Auch Fachberatungsstellen geben einen ersten Einblick zu deinen Rechten und können dich im Zweifelsfall an eine Rechtsberatung/Anwält_in weiterleiten. Die ist dann aber mit Kosten verbunden. Du kannst dich aber gut im Vorfeld informieren, welche Kosten auf dich zukommen.
Wenn ein Arbeitsklima herrscht in dem Sexismus toleriert wird, muss das „von oben“, also von den Vorgesetzen aus angegangen werden. Führungskräfte müssten zu allererst geschult und sensibilisiert werden, damit sie Sexismus als Problem erkennen und Betroffene unterstützen können. In den nächsten Schritten würden die Angestellten top down von den Teamleitenden bis hin zu Auszubildenden professionell geschult werden. Es beginnt also mit der Haltung, mit dem Eingeständnis, dass es ein Problem ist und weiter mit der Bereitschaft Ressourcen zu investieren, beispielsweise in regelmäßige Schulungen – zumal die Arbeitgeber_innen in der Pflicht stehen dem nachzugehen.
Tatsächlich sind es in der Praxis meist die Betroffenen, die das Unternehmen letztlich verlassen und nicht die Personen, von denen Belästigung ausgeht. Dann wissen auch alle anderen im Betrieb, dass sie nicht geschützt sind, wenn sie mal betroffen sind. Das gesamte Unternehmen muss sich schlussendlich mit den langfristigen Folgen auseinandersetzen: Das betrieblichen Klima wird schwer gestört, der Krankenstand erhöht sich, effektive und produktive Zusammenarbeit ist kaum mehr möglich.
Die Betriebe verlieren also die guten Arbeitskräfte, gegebenfalls immer wieder, wenn das Problem nicht angegangen wird. Es gibt also auch wirtschaftliche Argumente dem Sexismus ein Ende zu setzen. Belästigungsfälle in Unternehmen, die öffentlich werden, schädigen zudem nachhaltig den Ruf und das Image von Unternehmen.
Wenn Du sexualisierte Belästigung, Diskriminierung und/oder Gewalt am Arbeitsplatz erlebst oder erlebt hast, oder eine Person kennst, die belästigt wird, kannst Du Dir professionelle und vertrauliche Unterstützung bei einer Fachberatungsstelle bzw. beim Hilfetelefon holen. Die Mitarbeiter_innen sind auf Deiner Seite und beraten Dich, wie Du mit der Situation umgehen kannst.
DGB/Larissa Hassoun
Für besseren Schutz vor Gewalt und Diskriminierung in Alltag, Beruf und Ausbildung setzt sich Larissa schon seit vielen Jahren in Rahmen ihrer Arbeit in verschiedenen feministischen und migrantischen Organisationen in Berlin ein. Im Jahr 2019 startete sie mit Anita Eckhardt das Projekt "make it work!" beim Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff), das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird.
"Wenn Du sexualisierte Belästigung, Diskriminierung und/oder Gewalt am Arbeitsplatz erlebst oder erlebt hast, kannst Du Dir professionelle und vertrauliche Unterstützung bei einer Fachberatungsstelle holen. Unsere Mitarbeiter_innen sind auf Deiner Seite und beraten Dich, wie Du mit der Situation umgehen kannst. Auch in der aktuellen Corona-Krisenzeit gibt es Hilfsangebote vor Ort. Sie sind unter www.frauen-gegen-gewalt.de zu finden."
Bersonders interessant für betriebliche Interessensvertretungen: Der DGB-Leitfaden zur Verhinderung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zeigt mit vielen Good Practise-Beispielen und einer Muster-Betriebsvereinbarung, wie Sexismus verhindert und ein diskriminierungsfreies Betriebsklima geschaffen werden kann.
Hier gibt es mehr Infos von DGB Frauen und den Handlungsleitfaden zum Herunterladen.