Ausbildung oder Studium abgeschlossen – und jetzt? Auf die Herausforderungen der Bewerbungsphase und die ersten Jahre im Job wird man davor nicht vorbereitet. Doch gerade der Anfang ist oft schwer. Besonders Frauen neigen dazu, sich selbst nichts zuzutrauen und hinterfragen ihre Fähigkeiten häufig. Daher ist es wichtig, den eigenen Wert zu kennen, selbstbewusst die eigenen Qualifikationen zu kommunizieren und auch Grenzen zu setzen! Das gilt sowohl für die Jobsuche als auch für Bewerbungsgespräche und in der Position als „Neue“ im Team. In unserem Feminar erzählt Laura Bohnhoff, Berufseinsteigerin und selbst Personalerin in einem Social Start-Up, von Herausforderungen im ersten Jobjahr und ihren persönlichen Lösungsstrategien. Rieke Riepshoff, Personalreferentin beim DGB, erklärt, welche Rechte Berufseinsteigerinnen haben und verrät Tipps und Tricks, um stark für diese einzustehen.
Berufseinstieg fängt da an, wo die Schule aufhört. In Deutschland haben Männer und Frauen insgesamt vergleichbare Bildungsabschlüsse, sie sind also gleich qualifiziert für das Berufsleben. Trotzdem verdienen Frauen weniger. Der Gender Pay Gap, die Differenz im durchschnittlichen Bruttostundenlohn von Männern und Frauen, liegt aktuell bei 18%. Woran liegt das?
Mehr Informationen und Hintergründe zum Gender Pay Gap findet ihr auf unserer Themenseite.
Wirtschaftliche Unabhängigkeit ist für Frauen deshalb ab Beginn des Berufslebens immens wichtig. Beim Berufseinstieg offenbaren sich erste Hürden, die Frauen davon abhalten, langfristig vorzusorgen.
Frauen bewerben sich oft nur, wenn sie 100% der Voraussetzungen für den Job erfüllen. Männer bewerben sich im Schnitt schon, wenn sie 60% der Anforderungen erfüllen. Das zeigt, dass Frauen weniger selbstbewusst mit ihren Qualifikationen umgehen. Dieses Verhalten fällt nicht nur in der Bewerbungsphase auf.
Frauen bewerten ihre Stärken selbst weit niedriger als ihr direktes Umfeld diese einschätzt. Sie stufen sich insbesondere in Bereichen, die extrovertiertes und strategisches Verhalten erfordern – z.B. in Verhandlungen – selbstkritischer ein als ihre männlichen Kollegen. Das führt dazu, dass sie sich bei Gehaltsverhandlungen stärker zurückhalten.
Noch vor 50 Jahren hielten nur ein Drittel der Bevölkerung Frauen für gleich intelligent wie Männer. Das Stereotyp hat sich jedoch im Laufe der letzten Jahre verändert. Da Frauen mittlerweile fast im gleichen Maße wie Männer arbeiten, verbreitet sich auch die Wahrnehmung, dass Frauen ebenso kompetent sind.
Frauen sind jedoch weiterhin häufiger als Männer in Jobs tätig, für die sie formal überqualifiziert sind.
Laura: Laura kam aus dem wirtschaftlichen Bereich und wollte in den sozialen Bereich. Aus Angst, nicht genügend qualifiziert zu sein, hat sie sich sehr breit beworben, auch auf Jobs die thematisch nicht genau gepasst hat. Sie hat auch in Kauf genommen in einem Job zu starten, für den sie überqualifiziert ist. Im Nachhinein würde es sie anders machen – damals hat sie sehr viele Bewerbungen verschickt, heute würde sie nur ein paar Stellen raussuchen, die richtig gut passen, und die Bewerbung sehr passend ausrichten.
Du musst dir vorher überlegen: was möchtest du eigentlich? Eventuell kannst du einen Plan machen: wie viele Bewerbungen schreibe ich? Was sind meine Ziele? Du sollest keine Jobs in Betracht ziehen, die nicht gut zu dir passen. Du solltest dir zutrauen, dass du die Anforderungen erfüllen kannst. Es ist natürlich schwierig, wenn du lange keine Rückmeldungen bekommst. Du musst Ungewissheiten aushalten. Arbeitslosigkeit fühlt sich an als wäre man in einer schwachen Position, das kann am Selbstbewusstsein nagen. Dabei brauchst du sowohl im Bewerbungsschreiben als auch im Vorstellungsgespräch Selbstbewusstsein. Hier hilft der Austausch mit anderen Bewerber*innen und Berufsanfängern, alle fühlen sich ähnlich: wenig Selbstbewusstsein ist in der Phase normal, es ist wichtig dass du dich darüber mit anderen austauschen kannst.
Laura: Bei Laura waren es drei Monate, das ist relativ kurz. Es gibt keine pauschale Antwort darauf, wie lange es dauern wird, da Branchen unterschiedlich nachgefragt und auch unterschiedlich stark von der Pandemie betroffen sind.
Laura: In Lauras Bewerbungsgesprächen wurde die spezifische Facherfahrung häufig nicht angesprochen, es ging mehr um vorhandene Berufserfahrung. Du kannst also improvisieren, wenn du "nur" Praktika nachweisen kannst – irgendwo musst du ja anfangen nach dem Studium oder der Ausbildung. Wenn du nicht die passende Ausbildung oder Berufserfahrung hast, kannst du das gut mit der eigenen Motivation wett machen und dich im Anschreiben darauf konzentrieren, warum du gerade in diesem Unternehmen arbeiten möchtest. Das kommt oft besser an als Bewerbungen von Menschen, die zwar die passende Ausbildung haben, aber eigentlich keine richtige Lust auf den Job.
Rieke: Wenn du zum Bewerbungsgespräch eingeladen bist, ist die Qualifikation nicht mehr das Problem, da geht es dann nur noch um die Selbstpräsentation. Selbst empfundene "Defizite" musst du dann nicht mehr ansprechen. Wenn du von den Interviewpartner*innen darauf angesprochen werden solltest, kannst du auf die Kompetenzen ausweichen, die du vorweisen kannst. Beispiel: Kompetenzen von Müttern durch Erfahrungen in der Kindererziehung können absolut genutzt werden, denn diese Personen sind Multitasking-geschult und krisenerprobt. Andere Kompetenzen können aus Ehrenämtern kommen, genau wie aus unbezahlten Tätigkeiten wie der Pflege von Angehörigen. Mit Ehrenämtern kannst du zeigen, dass du bereit bist, über Anforderungen hinaus zu gehen und dich für andere einzusetzen.
Außerdem: in den Ausschreibungen suchen Unternehmen oft den oder die perfekte*n Kandidaten*in– kaum ein*e Bewerber*in erfüllt alle Anforderungen, den*die perfekte Bewerberin gibt es nicht – bewirb dich einfach, wenn du richtig Lust auf den Job hast.
Laura: Ja, die Chemie ist sehr wichtig. Sie muss stimmen, da du später mit den Interviewpartner*innen zusammenarbeitest – neben den eigenen Qualifikationen ist es wichtig, dass du ins Team passt. Du solltest dich deswegen aber nicht verstellen – du interviewst ja auch gleichzeitig deine*n potenzielle*n Arbeitgeber*in, um zu sehen, ob der Job für dich in Frage kommt. Wenn da die Chemie nicht stimmt, ist es vielleicht auch nicht die richtige Arbeitsstelle für dich . Generell gilt: komme gut vorbereitet mit eigenen Fragen zum Vorstellungsgespräch. So kannst du auch herausfinden, ob die Stelle zu deinen Vorstellungen passt.
Rieke: Rieke stellt fest: Frauen geben sich mittlerweile ungefähr so selbstbewusst wie Männer. Dahinter steckt vielleicht immer noch mehr Unsicherheit, aber Frauen zeigen es nicht mehr so sehr wie früher. Das kann ein positiver Effekt von Trainings und Seminaren in diesem Bereich sein. Frauen sind tendenziell immer noch selbstreflektierter und selbstkritischer und daher meist ein wenig besser auf Bewerbungsgespräche vorbereitet. Sie sind im Voraus auf kritische Fragen eingestellt und bringen auch öfter eigene Fragen mit.
Es gibt auch einige No-Go Fragen, mit denen vor allem Frauen in Bewerbungsgesprächen konfrontiert werden.
Rieke: Auf jeden Fall trotzdem bewerben! Erwähne es noch nicht im Anschreiben, aber spreche es im Vorstellungsgespräch an. Es gehört zur guten Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die moderne Unternehmen bieten wollen, dass die Beschäftigten auch in anderen Modellen als dem Vollzeitmodell arbeiten können. Zwischen den Optionen "mehr Gehalt" und "mehr Freizeit" entscheiden sich die meisten Beschäftigten heutzutage für mehr Freizeit – das ist eine gesellschaftliche Entwicklung, die den Unternehmen bekannt ist. Studien haben bewiesen, dass in Teilzeit arbeitende Menschen mindestens genauso effektiv arbeiten können wie in Vollzeit beschäftigte Menschen. In der Tendenz versuchen in Teilzeit arbeitenden Menschen nämlich, effektiver zu arbeiten. Es spricht also auch für Unternehmen viel dafür! Oft sind Arbeitgeber auch viel flexibler, als man denkt.
Rieke: Natürlich! Du musst an dich selbst denken und deine eigenen Bedürfnisse voranstellen. Auch dem Unternehmen geht es besser, wenn du glücklich bist – das ist wie in einer Beziehung oder mit Kindern. Du musst auf dich selbst achten. Es ist wichtig, dass du das machst, was dir Spaß macht.
Rieke: Das Bewerbungsgespräch solltest du selbstbewusst führen, und nicht damit eröffnen. Bei Fragen zum Schluss des Bewerbungsgesprächs kannst du deine eigene Situation schildern und fragen, welche Angebote es diesbezüglich seitens des Arbeitgebers gibt. Du bist als Bewerber*in mittlerweile in einer starken Position und kannst auch vom Unternehmen etwas verlangen – insbesondere dein Arbeitsumfeld so zu gestalten, dass es zu dir passt. Wenn du schon eingestellt wurdest: selbstbewusst damit umgehen, sagen, dass du die Umstände bereits geschildet hast, aber den Eindruck hast, dass es noch nicht angekommen ist. Betone, dass die Anpassung deines Arbeitsumfeldes wichtig ist – deine Behinderung hat ja nichts mit deiner Kompetenz an sich zu tun. Du kannst dich auch bei den Gewerkschaften über deine Rechte informieren!
Laura: Laura begann als Projektassistentin und war dabei für die Büroorganisation und Verwaltung zuständig, obwohl sie einen Masterabschluss in Wirtschaftswissenschaften hat. Nach ein paar Bewerbungsgesprächen, die nicht so gut gelaufen sind, wollte sie den Bewerbungsprozess einfach gern beenden. Sie dachte, dass man erst ein paar Jahre Berufserfahrung sammeln muss und nicht zu wählerisch sein darf. Sie hatte aber auch Angst vor Unterforderung und Langeweile. Überraschenderweise wurde ihr dann aber schon nach knapp 2 Monaten eine neue Stelle im selben Unternehmen angeboten: die Leitung des Personalbereichs. Sie war extrem überrascht, weil sie sich noch in Einarbeitungsphase befand. Laura wusste sofort, dass sie den Job machen will, verfügte aber über keine Berufserfahrung im Personalbereich. Mit der Stelle ging außerdem die Leitung eines Teams von 5 Ehrenamtlichen einher. Die erste Monate waren schwierig, da sie Angst davor hatte, dass Leute merken, dass ihr die Qualifikation fehlt und sie keine Führungserfahrung besitzt. Doch allein ihr Studium hat sie schon auf eine Stelle im Personalbereich vorbereitet. Die Unsicherheit nennt man auch "Imposter Syndrome". Vor allem Frauen fürchten sich oft, im Job "aufzufliegen", obwohl sie sehr wohl über die verlangte Qualifikation verfügen.
Laura: Das "Imposter Syndrom" beschreibt die Angst, als unterqualifizierte Person im Berufsalltag enttarnt zu werden. Meistens vesitzt man die erwünschte Qualifikation jedoch oder erfüllt die Arbeit wie erwartet. Laura sagt, dass man als Berufseinsteiger*in oft das Gefühl hat, dass es einem an Berufserfahrung fehlt und man nicht qualifiziert ist. Man hat Angst vor der "Verurteilung" durch andere Leute, oder als inkompetent "aufzufliegen". Mit der Zeit und mehr Einarbeitung legt sich das, sagt Laura, weil man nicht "auffliegt" – andere Menschen achten viel weniger darauf, ob man perfekt ist. Das Selbstbild ist oft kritischer als die Wahrnehmung durch Andere. Am besten tauscht du dich immer mit Anderen aus oder holst dir Feedback von Kolleg*innen ein, um Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung abzugleichen.
Rieke: Rieke hat sich am Anfang auch, trotz sehr gut abgeschlossener Ausbildung und Bachelor-Abschluss, nicht qualifiziert genug gefühlt, um sich beim DGB als Referentin zu bewerben. Stattdessen fand sie den Einstieg über ein Praktikum. Sie hat sich manchmal unsicher gefühlt, da sie nur im Personalbereich qualifiziert war und keine Vorerfahrung mit politischen Themen hatte. Heute erzählt sie selbstbewusst aus ihrem Bereich und fragt interessiert nach, wenn Kolleg*innen sie mit anderen Arbeitsbereichen konfrontieren, in denen sie sich weniger auskennt.
Laura: Die Leistungskonkurrenz zwischen Mädchen und Jungen fängt schon in der Schulzeit an. Das Gefühl der weiblichen "Unterlegenheit" entstammt gesellschaftlichen Rollenbildern. Als Frau muss man Fähigkeiten unter Beweis stellen, die bei Männern einfach angenommen werden. So entsteht der Druck, dass man sich beweisen muss und sich keine Fehler erlauben kann. Laut Laura ist das im ersten Berufsjahr teilweise noch extremer und stressiger als später, aber auch abhängig vom Betriebsklima. Lauras Unternehmen bietet eine entspannte Atmosphäre. So realisierte sie nach kurzer Zeit, dass das Gefühl des sich-beweisen-müssens eher von innen kam und sie es ablegen konnte.
Wenn du das Gefühl hast, du wirst im Meeting nicht gehört oder unterschätzt, kannst du Kolleg*innen um Unterstützung bitten. Du solltest dich nicht scheuen, Leute um Hilfe zu bitten, denen du vertraust. Wenn Probleme von außen kommen: such dir Verbündete, rede mit ihnen über Probleme, unterstützt euch gegenseitig. Wenn es einen Betriebsrat gibt, kannst du diesen kontaktieren. Du kannst Kolleg*innen befragen, wie du mit der Situation umgehen kannst und solltest nicht anfangen, an deinen eigenen Kompetenzen zu zweifeln.
Hinweis: Wenn du systematisch überhört wirst und das Gefühl hast, diskriminiert zu werden, informiere dich über Sexismus am Arbeitsplatz! Dafür bieten wir Material, Infos und Hilfestellen.
Rieke: Die Statistik zeigt, dass Frauen sich sehr viel mehr um Seminare bemühen als Männer. Viele Frauen entwickeln sich gern weiter, und haben Lust zu Lernen. Die Tendenz ist auch bei Männern steigend. Männer können ihre Weiterbildungen dann oft noch besser verkaufen, in Bewerbungsgesprächen oder bei Gehaltsverhandlungen. Sei dir auch deiner Qualifikationen bewusst, die du mit Weiterbildungen ausbaust!
Manche Frauen versuchen, ihr mangelndes Selbstbewusstsein durch Seminare zu ersetzen – das ist problematisch, weil die Seminare dann nicht mehr viel bringen. In dem Fall musst du dann eher am eigenen Selbstbewusstsein arbeiten.
Jedem*r Arbeitnehmer*in steht Bildungsfreistellungen zu, auch wenn das Seminar thematisch nichts mit dem Job zu tun hat, den du gerade machst. Es gibt eine bestimmte Anzahl von Tagen im Jahr, die für Bildungsfreistellung zur Verfügung stehen - für Seminare, die einen persönlich weiterbringen. Es gibt auch Seminare speziell für Frauen oder Berufseinsteiger*innen. Das Recht auf Bildungsurlaub oder Bildungsfreistellung ist gesetzlich verankert, wird aber durch die Bundesländer unterschiedlich geregelt. Am besten googelst du das eigene Bundesland mit dem Zusatz „Bildungsurlaub/Bildungsfreistellung“ und siehst dir die entsprechenden Verordnungen an.
Falls du deine*n Arbeitgeber*in überzeugen musst, dich für Weiterbildungen freizustellen: erkläre, wie du konkret davon profitieren wirst. Welche Kompetenzen erwirbst du? Welche Aufgaben kannst du damit dann besser erledigen oder übernehmen? So zeigst du, dass dein*e Arbeitgeber*in ebenfalls von deiner Weiterbildung profitiert und kannst um Kostenübernahme oder einen anteiligen Zuschuss bitten. Wenn es um das Budget geht, kannst du auch verschiedene Angebote recherchieren und vorlegen. Beispielsweise gibt es vom DGB Bildungswerk kostengünstige Angebote. Als Gewerkschaftsangehörige kannst du von weiteren Vergünstigungen profitieren.
Rieke: Auf dein Bauchgefühl hören: womit fühle ich mich gut, womit nicht? Und dem eigenen Gefühl folgen, wenn man sich nicht gut fühlt. Im Zweifelsfall mit der*dem eigenen Chef*in besprechen, wie man weiter vorgeht. Erst einmal abwägen, und auch der Person, die dir die Aufgabe gegeben hat, kommunizieren, dass du Zeit zu Überlegen brauchst. Wenn die angefragte Aufgabe zwar nicht zum eigenen Aufgabenbereich gehört, du dich aber dafür interessierst und den Eindruck hast, dass es dich weiterbringt, kannst du die Aufgabe trotzdem übernehmen. Wenn du Nein sagen möchtest: reundlich, aber bestimmt ablehnen. Tipp: Bei einem "Nein" nicht zu viel lachen oder lächeln, das kann verwirren und signalisieren, dass du es nicht ernst meint. Gute Formulierungen wären beispielsweise: "Nein, tut mir leid, ich habe (aktuell) keine Kapazitäten" oder, wenn es von der Chefin oder dem Chef kommt, "Kann ich gerne machen, aber dann musst du mir sagen was ich stattdessen weglassen soll".
Als Berufseinsteiger*in ist es außerdem gut, bei Problemen nicht direkt zur*m Vorgesetzten gehen und nach Lösungen fragen, sondern selbst (beispielsweise) 3 Lösungsoptionen vorbereiten und nach der Meinung der*des Vorgesetzen fragen. Selbst wenn keiner der Vorschläge gut ankommt, hast du trotzdem beweisen, dass du lösungsorientiert und engagiert arbeitest.
Rieke: Das ist eine schwierige Situation. In manchen Branchen ist es gang und gebe, dass Überstunden geleistet werden. Daraus ergibt sich dann ein sozialer Zwang: wer am längsten bleibt, ist der*die beste Arbeitnehmer*in. Auch hier versuchst du am besten, selbstbewusst zu sein und zu erklären, dass die Zeiten sich geändert haben und Freizeit und Familie für Arbeitnehmer*innen einen hohen Stellenwert haben sollten. Du kannst betonen, dass du deine Aufgaben gern übernimmst und auch mit Herzblut erledigst, aber nur in der Zeit, in der du dafür bezahlt wirst. Hier musst du stark bleiben, um einen weiteren systemischen Wandel zu erzwingen.
Rieke: Es ist immer wichtig, Fehler offen zuzugeben. Fehler gehören zum Lernprozess dazu. Du kannst reflektieren, mit welchen Maßnahmen, du die Fehler in Zukunft vermeiden wirst und im Gespräch mit deine*n Kolleg*innen so zeigen, dass du willens bist, dazu zu lernen. Eine offene Fehlerkultur ist hilfreich für alle Unternehmen.
Rieke: Wenn branchenübliche Gehälter nicht öffentlich sind, musst du so viel wie möglich mit Kolleg*innen darüber sprechen, was sie verdienen. Bei Gehaltsverhandlungen musst du am Ball bleiben, denn bis du das bekommst, was du haben möchtest, kann etwas Zeit vergehen. Auch hier gilt: Entscheidungen vorbereiten und nicht darauf vertrauen, dass die Vorgesetzen von selbst einsehen, dass du gut bist und mehr verdienst. Du kannst deine Kompetenzen, Weiterentwicklungen und eigenständig übernommene Arbeit verschriftlichen, darstellen wie viel Verantwortung du übernimmst und das dann zum Termin mitbringen. Wenn das ergebnislos bleibt, solltest du, sofern vorhanden, mit dem Betriebsrat zusammenarbeiten – dort hat man auch einen Überblick darüber, wie Gehaltsverhandlungen bei anderen Kolleg*innen abgelaufen sind. Frauen sind bei Lohnverhandlungen oft zurückhaltender – du kannst auch insbesondere die männlichen Kollegen nach der Lohnhöhe fragen, und dann dasselbe oder mehr verlangen.
Rieke: Diese Praxis ist illegal. Wenn der Eindruck sich bestätigt, solltest du dich an den Betriebsrat wenden. Such dir dringend einen neuen Arbeitsplatz!
Rieke Riepshoff / Was verdient die Frau
Rieke Riepshoff hat Industriekauffrau bei der Deutschen Bahn gelernt und ein Bachelorstudium in Wirtschaftspädagogik abgeschlossen. Beim Berufseinstieg in den DGB wurde sie von einem Mentoringprogramm der Hans-Böckler-Stiftung unterstützt. Von 2013 bis 2016 hat sie berufsbegleitend ein Masterstudium Personalentwicklung absolviert.
Seit April 2011 arbeitet sie in der Personalabteilung des DGB Bundesvorstandes. Ihr Aufgabengebiet ist Schwerpunktmäßig die Personalentwicklung. An Personalauswahlprozessen ist Rieke im Rahmen ihrer Tätigkeit als Ausbildungskoordinatorin des DGB sowie im Auswahlausschuss Universitäten der Hans-Böckler-Stiftung beteiligt. Bei der Auswahl hauptamtlicher Kolleg*innen für den DGB Bundesvorstand unterstützt sie ihren Kollegen Steffen Himmel gelegentlich.
Rieke hat das Gefühl beruflich genau da zu sein, wo sie sein möchte. Sie liebt es, sich selbst stetig weiterzuentwickeln und sieht es als ihre Berufung an, auch Kolleg*innen dabei zu unterstützen.
Laura Bohnhoff
Laura Bohnhoff hat Kulturwirtschaft (B.A.) und Business Management (M.Sc.) studiert. Vor gut einem Jahr hat sie ihre erste Festanstellung begonnen und leitet inzwischen den Personalbereich eines Sozialunternehmens.
Im Rahmen ihres Berufs hat sie viel mit jungen Menschen, hauptsächlich Frauen zu tun, die kurz vor dem Berufseinstiegs stehen. Sie selber kann sich auch noch sehr gut an die Jobsuche nach dem Studium und die damit verbundenen Zweifel erinnern. Auch ihre ersten Monate im neuen Job waren eine aufregende Zeit, in der sie viel über sich selbst gelernt hat.