Feminist*innen setzen sich dafür ein, dass alle die gleichen Chancen haben und frei über ihren Körper sowie ihre Zeit verfügen können. Da kann doch niemand was dagegen haben, oder? Doch: Fast ein Viertel der Deutschen findet, dass durch Feminismus die gesellschaftliche Ordnung gestört wird. Das zeigt sich auch an den vielen Hassnachrichten und Drohmails, die viele Frauen, die sich für feministische Themen einsetzen, von sogenannten Antifeministen bekommen. Mit Judith Rahner von der Amadeu Antonio Stiftung sprechen wir darüber, was Antifeminismus ist, wie wir ihn erkennen und wie Strategien antifeministischer und misogyner Akteure on- und offline aussehen.
Unsere Expertin Judith arbeitet bei der Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus der Amadeu Antonio Stiftung. Sie konnte sich lange nicht vorstellen, dass es Frauen gibt, die freiwillig auf Gleichstellung verzichten oder bekämpfen, obwohl sei davon ja profitieren. Was macht Rechtsextremismus für Frauen interessant? Diese Frage beschäftigt die Fachstelle. Gleichzeitig macht sie die Öffentlichkeit darauf aufmerksam, dass Frauen auch demokratiefeindlich, antisemitisch, etc. sein können, und gibt Tipps, wie man darauf reagieren kann. Die Fachstelle macht auch Lobbyarbeit bei Politiker*innen, damit sie das Thema auf dem Schirm haben.
Als Judith bei der Amadau Antonia Stiftung angefangen hat, hat Antifeminismus kaum eine Rolle gespielt. Doch sobald die AfD politisch aktiver wurde, haben sich immer mehr Gleichstellungsbeauftragte bei Judith gemeldet und berichtet, dass sie vorgeführt und ihre Themen verächtlich abgetan werden. Ab da hat sich die Fachstelle überlegt, wie man Zivilgesellschaft und Verwaltung stärken muss, um antifeministischen Umtrieben etwas entgegen zu setzen.
Wenn wir über Antifeminismus sprechen, ist es wichtig, dass wir uns klar werden, was Feminismus ist. Es ist in den letzten Jahrzehnten sehr viel durch feministische Kämpfe erreicht worden. Es gibt eine beispiellose Modernisierung von Geschlechterverhältnissen, Frauen haben mittlerweile viele Rechte und Freiheiten.
Dennoch ist noch viel zu tun. Antifeminismus und Sexismus sind nicht verschwunden.
Antifeminismus ist eine Weltanschauung und zumeist auch ein organisierter Widerstand.
Es geht nicht um eine Einzelperson, die Gendern doof findet. Vielmehr geht es um Einstellungen und organisierte Verhaltensweisen, die sich gegen
wenden.
Antifeministen wollen Gleichstellung aufhalten und die Zeit zurückdrehen.
Antifeminismus kommt selten allein. Er ist oft verknüpft mit Antisemitismus und weiteren Diskriminierungsformen, z.B. mit:
Antifeminismus gehört zum Kernbestand von Rechtsextremismus. Man kann vereinfacht sagen:
Nicht alle Antifeministen sind rechts, aber alle Rechten sind Antifeministen.
Antifeminismus ist sehr weit verbreitet, auch in der allgemeinen Bevölkerung.
Antifeminismus ist nichts Neues. Der Begriff wurde erstmals im deutschen Kaiserreich von Hedwig Dohm, die früh das Frauenwahlrecht forderte, benutzt. Um das Frauenwahlrecht gab es viele gesellschaftliche Kämpfe, in denen auch antifeministische Meinungen vertreten wurden. Daraufhin schrieb Hedwig Dohm das Buch „Die Antifeministen“.
Die Geschichte zeigt: Sobald sich jemand für Gleichstellung ausspricht, kommt auch eine Gegenbewegung auf, die Gleichstellung verhindern möchte.
Antifeministische Vorfälle wurden lange als Einzelfälle abgetan. 2020 wurden im Rahmen der Leipziger Autoritarismus Studie zum ersten Mal antifeministische Einstellungen in der deutschen Bevölkerung gemessen, 2022 zum zweiten Mal.
In Fragebögen wurden Menschen gefragt, ob sie unter anderem folgenden Aussagen zustimmen:
Die Studie zeigt, dass jeder dritte Mann und jede fünfte Frau allen diesen Aussagen zustimmen, also ein geschlossenes und antifeministisches oder sexistisches Weltbild haben.
Die Leipziger Autoritarismus Studie zeigt:
Auch hohe Bildung schützt nicht davor, demokratiefeindlich zu sein. Das sieht man an den Akteuren der neuen Rechten, die auf hohem intellektuellem Niveau erklären können, warum eine Frau minderwertiger sei als ein Mann.
Wenn Feminismus kapitalisiert wird, also genutzt wird, um Produkte wie T-Shirts zu verkaufen, ist das natürlich eher schlecht.
Nichtsdestotrotz sorgen Gespräche über feministische Themen dafür, dass Leute mit dem Begriff konfrontiert werden. Vor einigen Jahren haben sich viele nichts Gutes unter Feminismus vorgestellt. Über Feministinnen wurde eher schlecht gesprochen. Das hat sich mittlerweile geändert.
Es ist toll, wenn junge Frauen mit Feminismus eine Vision und gute Ideen verbinden. Dass der Begriff mittlerweile Mainstream geworden ist, trägt dazu sicherlich bei.
In antifeministischen Erzählungen werden Begriffe oft ins Gegenteil verkehrt.
Zudem sind viele falsche Vorwürfe und Desinformationen im Spiel.
Nicht nur Parteien sind antifeministisch unterwegs. Einige andere Akteure sind z.B.:
Es gab beispielsweise mal einen „Mädchenkongress“ der AfD, der aufgrund zu weniger Anmeldungen doch nicht stattfand. Im Programm ging es um Beschneidung, um Unterdrückung von Musliminnen durch ihre Ehemänner und die Gefahr für Frauen durch migrantische Männer. Das klingt erstmal nicht antifeministisch oder rechtsextrem, doch das Feindbild war ganz klar der männliche Migrant. Und das wurde mit dem Schutz der Frau begründet. Das ist erwiesenermaßen falsch.
Beides. Das ist schon eine Strategie. Es ist kein Zufall, dass oft weibliche Politikerinnen Frauen- und Familienpolitik machen. Doch die Personen, die diese Strategie fahren, leben auch eine gewisse Ideologie, es ist ihnen ein echtes Anliegen. Das zeigt sich an ihren Äußerungen und der Geschlossenheit, in der sie argumentieren.
Digitale Gewalt ist ein riesiges Thema. 70 Prozent der Frauen und Mädchen zwischen 15 und 24 Jahren haben digitale Gewalt und Belästigung in den sozialen Medien erlebt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen sich dann aus der Öffentlichkeit zurückziehen, ist dadurch sehr hoch. Weltweit geht es 58 Prozent der Frauen so, europaweit 63 Prozent. In Deutschland ist Hate Speech also weiter verbreitet als im europäischen Ausland.
Judith hat die Meldestelle Antifeminismus (antifeminismus-melden.de) aufgebaut, um zu zeigen, dass Antifeminismus ein reales Problem ist. Daraufhin wurde sie Ziel eines großen Shitstorms. Personen behaupteten, Gleichstellung wäre in Deutschland schon erreicht. Eine antifeministische Behauptung hingegen falle unter Meinungsfreiheit. Aber Frauen zu beleidigen, weil sie Frauen sind, hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun!
Antifeminismus hat große negative Auswirkungen:
Auf der anderen Seite gibt es auch positive Auswirkungen:
Judith hofft das. Die kommenden Wahlen sind dennoch Grund zur Sorge. Es ist nicht ausgeschlossen, dass antifeministische Politiker*innen in Parlamente gewählt werden. Dort werden z.B. auch Entscheidungen über finanzielle Förderung von Projekten getroffen. Das ist eine Gefahr für wichtige Projekte und Organisationen, denen durch rechte Politik finanzielle Mittel entzogen werden können.
In Unternehmen wird viel zu oft weggeschaut. Viele Frauen werden mit Shitstorms alleingelassen.
Es ist ein großes Problem, dass viele Konservative einfach rechte Parolen übernehmen. Es ist gut sie darauf hinzuweisen und zu fragen, um was es ihnen eigentlich geht, was ihre eigentlichen Sorgen und Ängste sind. Wichtig ist es nicht in der eigenen Bubble zu bleiben, sondern sich auch mit Personen aus anderen Kreisen auseinanderzusetzen.
Informiere dich hier:
Beratungs- und Anlaufstellen:
Schau dir unser Feminar „Kein Sexismus am Arbeitsplatz!“ an!
Tanja Schnitzler