Alexandria Singler
Viele Entscheidungen, die du im Laufe deines Lebens triffst, wirken sich auf deine wirtschaftliche Unabhängigkeit aus. Je früher du dich also mit deinen Finanzen beschäftigst desto besser. Doch wo anfangen?
Zuerst ist es wichtig, die Ursachen wirtschaftlicher Abhängigkeit zu verstehen. Wenn du sie kennst, ist es leichter, bei Entscheidungen wachsam zu sein.
Frauen sind nicht selten wirtschaftlich abhängig, von ihrem Partner, ihrer Familie oder staatlichen Leistungen. Das liegt vor allem daran, dass sie mehr unbezahlte Sorgearbeit übernehmen und ihnen daher weniger Zeit für ihre Erwerbsarbeit bleibt. Vor allem Mütter arbeiten vorwiegend in Teilzeit oder unterbrechen ihre Karriere für längere Zeit, um sich um den Haushalt und die Familie zu kümmern. Das hat natürlich Konsequenzen für ihre finanzielle Absicherung.
Bereits die Berufswahl hat große Auswirkungen auf deine spätere Finanzsituation. Besonders frauendominierte Berufe werden tendenziell schlechter bezahlt. Natürlich sollte dir dein Beruf Spaß machen, doch achte auch darauf, dass du einen angemessenen Lohn bekommst.
Über diese zwei Aspekte hinaus spielen besonders Entscheidungen über die Art des Partnerschafts- und Familienmodells und dein Umgang mit Geld und Finanzdienstleistungen eine wichtige Rolle für deine Finanzsituation.
Entscheidungen, ob für einen bestimmten Beruf, ein Familienmodell oder einen Sparplan, werden oft nicht bewusst getroffen. Rollenbilder und Glaubenssätze beeinflussen sie und unser Verhältnis zu Finanzen.
In Westdeutschland war jahrzehntelang das Versorgermodell bzw. Alleinverdiener-Modell der Normalfall, in dem Frauen abhängig von ihrem Partner waren. Das hat natürlich Spuren hinterlassen. Inzwischen wird in den meisten Familien das Zuverdienstmodell gelebt, das heißt, eine Person arbeitet Vollzeit, die andere, meist die Frau, in Teilzeit. Das Versorgermodell, bei dem eine Person die Familie finanziell versorgt, während die Partner*in die Verantwortung für die unbezahlte Sorgearbeit übernimmt, wird laut des Familienreports 2020 noch in rund jeder vierten Familie gelebt. Allerdings sind das die Durchschnittszahlen aller Paare mit Kindern unter 18 Jahren. Bei Familien mit Kindern unter drei Jahren gibt es noch bei mehr als der Hälfte der Paare einen männlichen Alleinverdiener. Eine partnerschaftliche Rollenverteilung ist also weiterhin nicht weit verbreitet.
Aus dieser historischen Entwicklung ergeben sich bestimmte Rollenbilder, die Frauen eben immer noch weniger im Erwerbsleben verankern. Stattdessen wird von ihnen erwartet, ihre Karriere zugunsten der Familie hinten an zu stellen. Das liegt auch daran, dass Männer häufig in Berufen arbeiten, in denen sie mehr verdienen als ihre Partnerin. So erscheint es den Paaren sinnvoller, dass die Frau ihre Arbeitszeit reduziert. Im besten Fall stehen jedoch beide Partner*innen auf eigenen Beinen. Das schützt vor Streit, einem unausgeglichenen Machtverhältnis und Geldsorgen nach einer Trennung.
Nicht nur unser Familienmodell wird von Werten und gesellschaftlichen Normen beeinflusst. Auch unser Umgang mit Geld ist von Werten, die wir in der Kindheit vorgelebt oder gelernt haben, bestimmt. In der Erziehung werden nicht nur bestimmte Haltungen und Verhaltensmuster, sondern im Idealfall auch konkrete Handlungsanweisungen vermittelt, etwa zur Budgetplanung oder zum Sparen und Investieren.
Wurde in deiner Familie über Geld gesprochen? Wenn ja, wie? Welche Emotionen waren mit dem Thema Geld verbunden und wie ging es euch finanziell? Die Spannbreite von finanzieller Sorglosigkeit, über phasenweise Einschränkungen, dauerhafte materielle Entbehrungen bis hin zu prägenden Armutserfahrungen und dem Ausschluss von sozialer Teilhabe ist groß.
Das alles bestimmt deine Einstellung zu deinen Finanzen, ob du dir lieber etwas gönnst oder eher sparst.
Da deine Entscheidungen oft eher von Impulsen geleitet sind, die wiederum auf Glaubenssätzen beruhen, statt nüchtern betrachtet zu werden, reicht es oft nicht aus, dass du dir finanzielle Ziele setzt. Verbinde deine finanziellen Ziele mit persönlichen Zielen. Frage dich:
Das könnte zum Beispiel sein: Ich will, dass es meinen Kindern finanziell gut geht. Ökonomische Ziele haben in der Regel etwas mit dem eigenen Leben zu tun. Wenn man sich die emotionale Bedeutung der Ziele vor Augen führt, steht man konsequenter hinter den eigenen Entscheidungen und zweifelt weniger an ihnen. Wenn Frauen zum Beispiel Berührungsängste beim Thema Aktien haben, können sie sich dennoch oft mit einem Aktiensparplan für die Kinder anfreunden.
Setze dich mit deinen Glaubenssätzen auseinander und lerne deine eigene Einstellung zu Geld kennen. So kannst du auch einige Entscheidungen bewusster treffen.
Sprich mit deinem*r Partner*in darüber, wie ihr euch Erwerbs- und Sorgearbeit aufteilen möchtet. Schaut dabei auch auf eure Finanzen und erarbeitet eine Lösung, bei der ihr beide unabhängig bleibt. Beispielsweise könnt ihr ein gemeinsames Konto für die alltäglichen Ausgaben führen, auf das anteilig eingezahlt wird. Die Einnahmen der Partner wandern jeweils auf ihre eigenen Konten und die anteiligen Beträge auf das Gemeinschaftskonto. Davon werden alle Ausgaben, die die Gemeinschaft betreffen bezahlt. Hierzu zählen beispielsweise Miete, Lebensmittel, Auto, gemeinsame Urlaube und alles, was die Kinder betrifft. Ihr könnt das sogenannte Drei-Konten-Modell aber auch so aufstellen, dass eure kompletten Einnahmen auf das Gemeinschaftskonto wandern und nach Abzug aller Ausgaben wird der Rest halbe-halbe geteilt und zurück auf die Einzelkonten überwiesen. Damit können nun beide machen, was sie wollen und bleiben unabhängig.
Die Ausführung der unbezahlten Sorgearbeit sollte in jedem Fall auf irgendeine Art und Weise kompensiert werden, zumindest mit Blick auf die Altersvorsorge. Wenn also eine Person in der Partnerschaft Geld verdient, während die andere unbezahlt die Kinderbetreuung und den Haushalt übernimmt, sollte diese Arbeit anderweitig vergütet werden. Konkret kann derjenige, der mehr verdient, einen Betrag X für die Altersvorsorge des anderen zahlen.
Obwohl viele Frauen die Familienbudgets verwalten, waren sie in der Vergangenheit beim Thema Geldanlage eher zurückhaltend. Das Finanzwissen von Frauen ist nicht so ausgeprägt, einfach, da die traditionellen Rollenbilder noch nicht überwunden sind. Sie investieren daher noch seltener als Männer in Aktien und Investmentfonds. Das müssen wir ändern! Denn die Geldanlage am Kapitalmarkt ist ein guter Weg, um für die eigene Rente vorzusorgen. Und auch kleine Summen können langfristig eine gute finanzielle Rücklage aufbauen.
Viele Angebote im Finanzbildungsbereich sind kostenlos, wie YouTube Videos oder Informationen der Verbraucherzentrale. Eine Investition in finanzielle Bildung zahlt sich meistens jedoch auch aus, solange das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Ob du dich von einer Bank oder bei freien Finanzberater*innen beraten lässt, ist dir überlassen. Achte jedoch darauf, zwischen guten und schlechten Beratungsangeboten zu unterscheiden. Bei Beratungsgesprächen sollte nie Druck aufgebaut werden. Ein gutes Beratungsgespräch bietet immer Alternativen oder auch einen zweiten Beratungstermin an. Finanzprodukte selbst sollten verständlich und nicht zu kompliziert strukturiert sein. Die Kosten müssen transparent ausgewiesen werden.
Schlechte Angebote hingegen schüren Angst, bauen Zeitdruck auf und verschleiern Kosten. Oder sie locken mit unrealistischen Renditen und ziehen es ins Lächerliche, wenn du dich nicht traust viel Geld anzulegen. Leider gilt das inzwischen auch für viele Bildungsangebote.
Informiere dich also über Anlagetipps und richte dir zum Beispiel einen Wertpapiersparplan ein, mit dem du jeden Monat einen kleinen Teil deines Gehaltes investierst, statt es auf dem Girokonto zu lassen. Es stärkt auch den eigenen Selbstwert und die Verhandlungsposition bei Jobs, wenn du dich mit Geld auskennst und weißt, wie viel du benötigst, um gut leben zu können. Zuvor solltest du dir einen Notgroschen von mindestens drei bis sechs Monatsgehältern aufbauen, damit du für Notfälle versorgt bist.
Alexandria Singler
ist Referentin für Finanzbildung und finanzielle Gleichstellung und Gründerin von Geldbiografien®. Sie befasst sich u.a. mit den Fragen "Wie können Frauen ihre Erwerbs- und Finanzbiografien stärken?" oder "Wie funktioniert gute Finanzbildung und wo liegen ihre Grenzen".
Sie studierte in Frankfurt und Singapur Soziologie, Psychologie und Volkswirtschaftslehre und promovierte zum Umgang mit Geld. Als Sozialwissenschaftlerin beschäftigt sie sich mit Chancengleichheit, Verbraucherpolitik und Finanzpsychologie. Ihren Blick für das Thema Geld und Lebensgeschichte schärfte sie in der Wertpapierberatung einer Bank, bei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema und bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Singapur. Als BNE Akteurin und Mitglied von UN Women Deutschland teilt sie ihre Leidenschaft für die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen und unterstützt die 17 Nachhaltigkeitsziele. Im Vorstand des Präventionsnetzwerks Finanzkompetenz engagiert sie sich für die Stärkung und Professionalisierung der Finanziellen Bildung, soziale Gerechtigkeit und die Prävention von Frauenarmut.
Außerdem war sie als Expertin in unserem Feminar "Deine Finanzen im Blick! So triffst du informierte Entscheidungen in jeder Lebenslage" zu Gast. Dort findet ihr noch mehr hilfreiche Tipps rund um das Thema Finanzen.