Deutscher Gewerkschaftsbund

30.09.2020

Keine Angst vor Geld

von Mirna Funk
Portrait von Mirna Funk

DGB / Shai Levy

Mirna Funk ist freie Autorin und Journalistin und beschreibt in ihrem Gastbeitrag, wie und weshalb sie ihre Finanzen in die Hand nimmt.

Frauen und Geld. Das ist, naja, eine Geschichte für sich. Die wenigsten reden über Geld, die wenigsten investieren ihr Geld und die wenigsten haben natürlich genug Geld, um damit überhaupt so sicher und mutig umzugehen, wie Männer es gemeinhin tun.

Auch ich habe mich bis vor zwei Jahren nicht wirklich mit dem Thema beschäftigt. Nachdem ich mit 17 Jahren bei meiner Mutter auszog und mir eine eigene Wohnung suchte, arbeitete ich als Kellnerin drei Nächte die Woche. Parallel dazu machte ich mein Abitur. Mehr schlecht als recht. Weil Nachtarbeit und Schule nicht so wahnsinnig gut zusammenpassen. Logisch! Aber was blieb mir schon übrig? Ich musste mich irgendwie finanzieren. Und weil auch nach meinem Abitur niemand heimlich einen großen Koffer mit Geld vor meine Wohnungstür gestellt hatte, musste ich weiter arbeiten und konnte eben nicht, wie eigentlich geplant, Philosophie und Geschichte auf Magister studieren. Fünf Jahre studieren? Und dann noch Geschichte und Philosophie? Als Arbeiterkind? Wie soll das gehen, fragte ich mich, und studierte dann Kommunikation an einer Fachhochschule innerhalb von drei Jahren. Ich bewarb mich wie eine Irre bei Agenturen als Werkstudentin, um so schnell wie möglich reinzukommen, aber natürlich auch, um meinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. So ging das weiter und weiter und weiter. Ich arbeitete und sparte und gab mein Erspartes aus, um einen Roman zu schreiben, dann arbeitete ich wieder, bekam ein Kind und arbeitete direkt weiter. Elternzeit? Hahaha. Guter Joke. 23 Jahre sind seit meinem Auszug vergangen. 23 Jahre Lohnarbeit, ohne Pause. 23 Jahre lang hatte ich keine 100 Euro übrig, um diese in meine Altersvorsorge stecken zu können. Das geht erst seit sehr kurzer Zeit.

Es gibt kein zu spät

Weil das so war, verdrängte ich natürlich das Unausweichliche. Mich endlich wirklich mit meinen Finanzen zu beschäftigen. Selbstverständlich dachte ich immer wieder daran. Am liebsten, wenn ich im Bett lag und einschlafen wollte. Ich dachte an meine Rente, die niemals reichen würde, trotz all der Jahre, die vollgepackt mit Arbeit gewesen waren. Ich dachte an meine Tochter, die ich unbedingt absichern wollte und davor bewahren, sich viel zu spät mit einem so wichtigen Thema zu beschäftigen. Ich dachte solange daran, ohne irgendetwas zu tun, bis ich in einem Workshop für Frauen und Finanzen saß, den mein ehemaliger Arbeitgeber veranstaltet hatte. Die Themen waren: Altersvorsorge, investieren, Notgroschen und diversifizierte Einnahmen. Es war, als habe mir jemand die Augen geöffnet, als habe jemand auf eine nicht paternalisierende Weise geflüstert, „Girl it’s time und zu spät ist es auch nie“.

Ich war das Girl. Mit fast 40 Jahren glaubte ich, den Absprung nicht rechtzeitig geschafft zu haben, dass ich hätte schon mit 20 anfangen müssen, ohne es aber zu können, dass diese mir bleibenden 27 Jahre niemals reichen würden, um mich ausreichend abzusichern. Diese Gedanken, so begriff ich plötzlich, hatten mich gelähmt, endlich loszulegen. Im Workshop stellte ich tausend Fragen: Welcher ETF? Welche Aktien? Welche private Rentenversicherung? Die Antwort war immer nur: Sage ich dir nicht! Musst du selber rausfinden! Ich bin hier, um dich daran zu erinnern, dass jetzt, genau jetzt – nicht gestern und auch nicht morgen – der richtige Zeitpunkt ist. Also machte ich, was sie seit Jahren predigt, am Abend nicht mehr netflixen, sondern mich mit allen Einzelheiten rund um das Thema Finanzen zu beschäftigen. Mich emanzipieren, zur Expertin werden und nicht erwarten, dass das jemand für mich macht.

Erst als ich richtig Ahnung hatte, traf ich mich mit drei verschiedenen Vermögensverwaltern und merkte dank meinem mir selbst erarbeiteten Wissen, wer mich hier eigentlich verarschen wollte und wer mein Wissen schätzte. Der Vermögensberater, der lobend meine Kenntnisse anerkannte, mich als emanzipierte, schlaue Frau und nicht als Idiotin behandelte, bekam den Zuschlag von mir. Danach hatte ich eine private Rentenversicherung und ein diversifiziertes ETF Depot für mich. Sogenannte Index-Fonds. Aber nicht nur für mich: Ich hatte entschieden, natürlich auch, weil ich es mir aktuell finanziell leisten kann, die 200 Euro Kindergeld, die ich monatlich bekomme, in die Zukunft und Absicherung meiner Tochter zu stecken. Deswegen schloss ich zudem eine Fondbasierte Rentenversicherung für sie ab, die monatlich 50 Euro kostet und die nicht nur dazu führen würde, dass sie sich niemals mit 40 Jahren plötzlich mit vollendeten Tatsachen konfrontiert sehen würde, sondern irgendwann einfach die monatliche Zahlung, die so gering war, weil früh begonnen, selbst übernehmen könnte. Wenn alles klappte und die Erde nicht plötzlich von einem Meteoriten erschlagen würde, bekäme meine Tochter mit 67 Jahren ein Vermögen auf ihr Konto überwiesen. Fingers crossed. Die restlichen 150 Euro gehen monatlich auf ein ETF-Depot. Ob wir davon später ihr Studium finanzieren werden oder ich das Depot heimlich weiterführe, um ihr bei der Geburt ihres ersten Kindes zum Beispiel eine Überraschung zu machen, das kommt auf meine finanzielle Situation der nächsten Jahre an. Das Wissen darum, sie abgesichert zu haben, beschert mir jedenfalls seit geraumer Zeit den besten Schlaf ever.

Babysteps sind auch Steps

Wer nicht so viel Geld hat, der nimmt nur 25 Euro im Monat und startet vielleicht erstmal nur mit einem ETF-Depot oder einer privaten Rentenversicherung. Viele sagen, nur ETF, Rentenversicherung kostet so viele Gebühren. Ja, das tut sie, aber sie ist eben auch sicher. Und generell gilt bei allem im Leben: Je diverser, umso besser. Das gilt auch für die finanzielle Absicherung. Das bedeutet, dass man sich nicht nur auf sein monatliches Gehalt verlassen darf, sondern auch einen Notgroschen ansparen sollte. Dieser muss so hoch sein, dass man davon zwischen drei und fünf Monaten alle im Haushalt anfallenden Unkosten decken kann. Quasi, das drei- oder eben fünffache Nettogehalt. Für jemanden, wie mich, die ein Leben lang Existenzängste hatte, ist dieses Polster eine große Erleichterung. Seit letztem Monat habe ich es auf meinem Konto liegen. Dafür musste ich lediglich ein Jahr auf Konsumgüter verzichten. Keine Taschen, keine Schuhe, kein Schnick Schnack. Nur radikales Sparen. Boom!

Wie viel Geld man auch immer übrig hat, 25 Euro im Monat reichen für eine private Rentenversicherung oder ein ETF-Depot. So früh wie möglich sollte jede damit anfangen. Ein erster Schritt könnte es sein, dass Feminar „Money, money, money… Nimm deine Finanzen selbst in die Hand!“ in der Mediathek anzusehen. Außerdem gibt es viele tolle Finanzexpertinnen mit speziellen Angeboten für Frauen. Achtet dabei aber bitte darauf, dass es unabhängige Portale sind. Wenn es nur Angebote einer Fondsgesellschaft gibt, sind sie nicht unabhängig. Unabhängig ist, wer alle existierenden Aktien und ETF’s anbietet. Alle anderen, äh naja, ihr habt es verstanden, kann frau sich sparen.

Aber damit nicht genug. Wenn ihr zur Expertin geworden seid, euer Kind abgesichert habt, dann müsst ihr jetzt eure Kinder zu Finanzexpert_innen machen. Bringt ihnen alles bei, was ihr euch beigebracht habt. Sich mit den Finanzen auskennen, gehört genauso zur Allgemeinbildung wie das Einmaleins.

 

Mirna Funk ist freie Autorin und Journalistin. In ihren Texten befasst sie sich mit Feminismus, jüdischem Leben in Deutschland, (Erinnerungs-)Kultur und ihrem Leben zwischen Berlin und Tel Aviv.

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