Deutscher Gewerkschaftsbund

Erkennen von und Reagieren auf sexistische und antifeministische Sprüche? Ja! - Aber wie?

Ein Argumentationsleitfaden von Methuja Thavarasa

Frau wehrt sich

DGB/Dean Drobot/123rf.com

Erfahrungen mit Sexismus und Antifeminismus ist für viele Alltag. Da unsere Gesellschaft auf der Annahme aufgebaut ist, dass es zwei Geschlechter gibt, die jeweils bestimmte Rollen übernehmen, ergeben sich klare Erwartungen. Sprüche wie „Lächel doch mal!“, „Wir sind doch schon längst gleichberechtigt!“, „Sei doch nicht so zickig!“ haben wir alle schon mal gegenüber uns oder anderen, am Arbeitsplatz, im Bekanntenkreis oder einfach auf der Straße gehört.

Sie lassen uns immer wieder sprachlos und mit der Frage „WAS und ist mir das gerade WIRKLICH passiert?“ zurück. Als weiblich sozialisiert und gelesene Personen haben wir Sexismus selbst so verinnerlicht, dass wir ihn gar nicht immer direkt als solchen erkennen oder sogar als normal erachten. Oft bringen wir auch noch Verständnis für Menschen auf, die uns objektifizieren und uns Eigenschaften zuschreiben, die uns auf unser Geschlecht reduzieren. In solchen Situationen sind Ärger und Wut völlig natürliche Wegbegleiter, die uns ganz deutlich signalisieren, dass ein bestimmtes Verhalten nicht okay bis übergriffig ist. Wir brauchen diese Gefühle also unbedingt, um handlungsfähig zu bleiben, um überhaupt für uns einstehen zu können. Gebt ihnen Raum und nehmt sie ernst!

4 Fragen zur Selbstverortung in diskriminierenden Situationen

Situationen in denen sexistische Sprüche fallen fühlen sich nicht selten hektisch, komplex und überfordernd an. Auch das ist völlig normal. Diese Situationen sind auch herausfordernd und anstrengend. Wie können wir der einsetzenden Sprachlosigkeit und Ohnmacht begegnen? Oft stellen die bewusste Auseinandersetzung mit sich selbst und der Austausch mit anderen Betroffen bereits die ersten Weichen.

Folgende vier Fragen können helfen, erste Impulse für ein selbstwirksames Agieren zu setzen:

  • Möchte ich mich verhalten?
  • Wen will ich erreichen?
  • Was will ich erreichen?
  • Wie und mit wem kann ich das erreichen?

Zwischen Positionierung und Abgrenzung bis hin zum Gespräch sind verschiedenste Handlungen kontextabhängig  möglich. Darunter können auch non-verbale Reaktionen fallen, das Einsetzen von Körpersprache, um Nicht-Zustimmung zu kommunizieren, das Unterstützen von Betroffenen, das Verlassen der Situation, das Verschieben eines Gesprächs usw. Aber: nur ihr allein entscheidet, ob, wann und wie ihr auf einen Spruch reagieren möchtet oder nicht. Ihr seid aus der Betroffenenperspektive niemandem Rechenschaft oder eine Reaktion schuldig. Egal, ob ihr agiert oder nicht, macht euch immer wieder bewusst, dass ihr mit euren Gefühlen und eurer Überforderung nicht alleine seid und diese jede Berechtigung haben.

Rhetorische Muster erkennen und reagieren

Um Gesprächssituationen mit diskriminierenden Äußerungen besser einzuordnen und zu verstehen, kann es zudem hilfreich sein, sich einen Überblick über gängige rhetorische Muster zu verschaffen. Sie zeigen relativ deutlich, ob es überhaupt die Bereitschaft zu einem Austausch und die Übernahme von Verantwortung für Äußerungen gibt. Hier einige Beispiele:

  1. Themenhopping: Eine Person springt von Thema zu Thema, ohne ernsthaft Raum dafür zu schaffen, sich erst einmal nur einem Thema zuzuwenden und dieses auszudiskutieren. Sie stiftet damit Verwirrung bei der zuhörenden Person und umgeht Begründungen für getroffene Äußerungen geben zu müssen. Bsp.: „Erst kam die Frauenquote, dann die Homo-Ehe und jetzt der Genderwahn.“
  2. Whataboutism: Eine Person vergleicht die Schwere und Reichweite einer Thematik mit einer anderen und lenkt damit vom eigentlichen Thema ab. Bsp.: „Ach was Femizide! Männer werden mittlerweile auch diskriminiert!“
  3. Opferinszenierung: Eine Person weist Kritik an der eigenen Äußerung von vornherein ab. Dabei liegt der Fokus darauf, von der Problematik der Äußerung abzulenken und die Aufmerksamkeit darauf zu richten, bestimmte problematische Dinge angeblich nicht mehr sagen zu dürfen, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Bsp.: „Nur weil ich die Wahrheit sage, werde ich gleich als Sexist und Antifeminist beschimpft.“
  4. Strohmann-Prinzip: Eine Person stärkt die eigene Position, in dem die Gegenposition verzerrt und damit aus dem Kontext heraus gerissen wird. Bsp.: „Gender Pay Gap? Wenn wir karrieregeilen Rabenmüttern jetzt auch noch mehr Geld zahlen, kann die deutsche Gesellschaft ja nur weiter schrumpfen. Bald sind wir hier in der Minderheit.“
  5. Pseudozusammenhänge: Eine Person schafft Zusammenhänge zwischen Themen, die nichts miteinander zu tun haben. Da Teile der Äußerungen faktisch nicht von der Hand zu weisen sind, könnte die zuhörende Person dennoch dazu verleitet sein, Zustimmung zu äußern, obwohl die Aussage als solche nicht den Tatsachen entspricht. Bsp.: „Alle kümmern sich nur noch um die Flüchtlinge und für die Obdachlosen ist nichts mehr übrig.“

In all diesen Fällen ist es sinnvoll, das jeweilige Muster zu benennen und transparent zu machen. Es ist okay, darauf zu verweisen, dass Gespräche nur funktionieren können, wenn beide Teilhaber*innen die Bereitschaft mitbringen Verantwortung für sich selbst und das Geäußerte zu übernehmen. Sprecht darüber was ihr persönlich braucht und euch wünscht, um weiterhin offen miteinander kommunizieren und damit im Gespräch bleiben zu können.

Kommunikation gegen Diskriminierung als individueller Lernprozess

Die Beschäftigung mit Kommunikation an der Schnittstelle zu Sexismus und Antifeminismus ist ein Prozess, in dem ihr euch selbst immer besser kennen lernt. So könnt ihr Schritt für Schritt

  • diskriminierende Situationen und Äußerungen stetig besser greifen und
  • rhetorische Muster entlarven lernen,
  • eigene Reaktionen und Impulse verstehen sowie
  • Ziele, Bedürfnisse und Grenzen an euch selbst formulieren
  • und schließlich euer Handeln immer mehr danach ausrichten.

Damit kommt ihr eurem Wunsch, plumpen Parolendrescher*innen in Zukunft nicht mehr die Bühne zu überlassen und selbstwirksam sowie bedacht zu kontern, immer näher.

Kommunikation gegen Diskriminierung braucht Solidarität: Verbündet euch!

Sprecht außerdem mit Freund*innen und tauscht euch mit Betroffenen aus. Überlegt gemeinsam was ihr in solchen Situationen braucht, um euch anschließend gut um euch zu kümmern. Denn der wirksamste Weg sich einer patriarchalen, sexistischen und antifeministisch geprägten Welt, in der man sich permanent selbst hinterfragen soll, entgegenzustellen, ist die konsequente Selbstfürsorge und -zuwendung und das gezielte Verbünden mit Mitstreiter*innen.

Links, Bücher- und Podcastfolgenempfehlungen zum Schmökern und zur weiteren Recherche:

Methuja Thavarasa

Methuja Thavarasa

Methuja Thavarasa (keine Pronomen) ist deutsch sozialisierte*r Eelam Tamil*in und seit Anfang 2017 in der politischen Bildung als selbstständige Referent*in tätig.

Methuja bietet seither Workshops und Vorträge zu dem Thema „Kommunikation gegen rechte Parolen und Populismus“ für verschiedene Zielgruppen an.