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Dieser Text ist zuerst erschienen in den WZB Mitteilungen Heft 166.
Kurz gefasst: Väter nehmen deutlich seltener und kürzer Elternzeit als Mütter. Für viele Väter entspricht die kurze Elterngeldnutzung aber nicht ihren Wünschen. Oft führen sie betriebliche Gründe und Sorgen vor negativen Auswirkungen auf ihre Karriere an. Analysen zum Zusammenhang zwischen betrieblichen Charakteristika und der Elternzeitdauer ergeben, dass vor allem eine funktionierende Vertretungsregelung relevant für die Länge der Elternzeit von Vätern und Müttern ist. Auch die Befürchtungen bezüglich Karriereeinbußen bei Vätern scheinen wenig bergründet.
Im Jahr 2007 wurde das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz eingeführt, um die egalitäre Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit zwischen den Eltern zu fördern. Die im internationalen Vergleich relativ großzügigen Lohnersatzzahlungen von 65 Prozent (maximal 1.800 Euro im Monat) sollen Einkommenseinbußen nach der Geburt eines Kindes abfangen. Die maximale Bezugsdauer von 14 Monaten ist nur dann verfügbar, wenn beide Eltern das Elterngeld nutzen. Zwölf Jahre später lässt sich eine erste Bilanz ziehen: Die beruflichen Auszeiten von Müttern nach der Geburt eines Kindes haben sich im Durchschnitt tatsächlich verkürzt, während die der Väter gestiegen sind. Gleichwohl besteht weiterhin eine Ungleichverteilung zwischen Müttern und Vätern. Väter nutzen selten mehr als die zwei Partnermonate, die ohne ihre Inanspruchnahme verfallen würden. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen scheinen also zwar wirksame Anreize für die Elterngeldnutzung von Vätern zu setzen. Diese Wirkung geht jedoch kaum über die Untergrenze der Regelung hinaus. Woran das liegt, wollten wir mit dem von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projekt „Gelingensbedingungen für partnerschaftliche Zeitaufteilung“ herausfinden. Wir sind unter anderem der Frage nachgegangen, welche Bedeutung der jeweilige betriebliche Kontext für die Entscheidung über die Elternzeitdauer von Müttern und Vätern und für die beruflichen Auswirkungen dieser Entscheidung hat. In den Jahren 2014/15 haben wir leitfadengestützte Interviews mit 44 Elternpaaren geführt und 878 telefonisch befragt. Voraussetzung für die Teilnahme an der Studie war, dass mindestens ein Kind unter 13 Jahren im Haushalt lebt und mindestens einer der beiden Elternteile abhängig beschäftigt ist.
Zunächst stellte sich uns die Frage, inwiefern die ungleiche Aufteilung von Elternzeit zwischen Männern und Frauen den Wünschen von Müttern und Vätern entspricht. Unsere Befragungsdaten zeigten, dass 18 Prozent der Väter, die keine Elternzeit genommen hatten, gerne ein bis zwei Monate in Elternzeit gegangen wären. Auch bei denjenigen, die ein bis zwei Monate Elternzeit genommen hatten, war in gut der Hälfte der Fälle die Elternzeit kürzer als eigentlich gewünscht. Warum also nehmen Väter so selten und wenn, so kurze Elternzeit?
Als Gründe für den Verzicht werden neben finanziellen Erwägungen häufig betriebsstrukturelle Gründe und die Sorge vor negativen Konsequenzen für die Karriere angeführt. Vor allem das Fehlen einer passenden Vertretung sowie die Tatsache, dass eine Elternzeit von Vätern im Betrieb unüblich sei, wurden als Hemmnisse genannt. Nur wenige Väter gaben an, dass sie lediglich deshalb keine Elternzeit genommen hätten, weil es keine erfüllende Aufgabe sei, nur für das Kind da zu sein. Vorbehalte seitens der Vorgesetzten waren ebenfalls nur für einen von sechs Befragten relevant. Unsere quantitativen Analysen bestätigten damit den Befund unserer qualitativen Paarinterviews, in denen Vorgesetzte selten als Grund für den tatsächlichen Verzicht der Väter auf Elternzeit genannt wurden. Im Gegenteil, Vorgesetzte wurden meist dann erwähnt, wenn sie die Elternzeitnahme von Vätern unterstützten.
Bei den Vätern, die bis zu zwei Monate Elternzeit beansprucht hatten, waren die Gründe gegen eine längere Elternzeitdauer ähnlich gelagert. Auch sie gaben mehrheitlich finanzielle Gründe an. Mehr als ein Drittel der Väter hatten Angst vor beruflichen Nachteilen, etwas unter der Hälfte sorgte sich um die Vertretungssituation im Betrieb und eine Überlastung der Kollegen. Fast jeder zweite Vater gab an, dass es in seinem Betrieb unüblich sei, als Vater mehr als zwei Monate Elternzeit zu nehmen. Insgesamt wird deutlich, dass fehlende Vorbilder im Betrieb, unzureichende Vertretungsmöglichkeiten und die Rücksicht auf Kolleginnen und Kollegen Väter von einer (längeren) Elternzeit abhielten.
Interessant ist auch ein Blick auf die Dynamiken innerhalb der Paare. Vier von fünf Vätern gaben an, auch der Wunsch der Partnerin nach einer 12-monatigen Elternzeit habe sie von einer längeren Erwerbspause abgehalten. Nun zeigen die Zahlen, dass die ungleiche Verteilung tatsächlich weit verbreitet ist: Während Mütter 2015 im Schnitt 11,5 Monate Elterngeld bezogen, lag bei Vätern der Durchschnitt bei 2,9 Monaten. Daraus den Schluss zu ziehen, die Mutter habe den Vater aktiv daran gehindert, länger Elternzeit zu nehmen, scheint jedoch gewagt. Denkbar ist nämlich auch, dass dieses Argument vonseiten der Väter herangezogen wird, um die geringe Dauer ihrer Elternzeit nicht weitergehend erklären zu müssen. Wir können bislang die Frage nicht beantworten, ob die Entscheidung der Frauen tatsächlich ein Hindernis für Männer darstellt, Elternzeit zu nehmen. Was wir feststellen können, ist, dass eine aktive Aushandlung jedenfalls selten stattfindet: Viele der befragten Paare stellen auch auf Nachfrage die von ihnen gewählte ungleiche Aufteilung der Elternzeit als für sie völlig selbstverständlich und nicht erklärungsbedürftig dar.
Väter führten häufig Betriebsstruktur und -kultur an, um zu begründen, weshalb sie keine oder nur kurz Elternzeit genommen hatten. Diese Begründung hält allerdings einer empirischen Überprüfungnur bedingt stand: Ob es in einem Unternehmen einen Betriebsrat gab, ob es im öffentlichen Sektor angesiedelt war, ob es besonders große oder besonders geringe Unterstützung durch den Vorgesetzten gab, spielte kaum eine Rolle. Selbst zwischen familienfreundlichen betrieblichen Regelungen und fortschrittlichen Rollenvorstellungen im Betrieb und der Dauer der Elternzeit von Vätern konnte keinerlei Zusammenhang gefunden werden. Eine gute Vertretungslösung im Betrieb des Vaters allerdings machte einen Unterschied. Sie erhöhte deutlich die Wahrscheinlichkeit, dass er mehr als die standardmäßigen zwei Monate Elternzeit nahm. Bei Müttern erhöhte eine gute Vertretungslösung die Wahrscheinlichkeit, sogar mehr als die 12 bezahlten Monate Elternzeit zu nehmen. Gleichzeitig war es weniger wahrscheinlich, dass sie eine kürzere Elternzeit nahmen. Anders als bei den Vätern war es für Mütter relevant, ob sie im öffentlichen Sektor arbeiteten: Hier war eine lange Bezugsdauer wahrscheinlicher als im privaten Sektor. In Betrieben, die wenig von traditionellen Rollenbildern geprägt waren, nahmen Frauen tendenziell häufiger kurze Elternzeiten. Bemerkenswert ist, wie wenig Einfluss allgemeine familienfreundliche Regelungen in einem Betrieb auf die Dauer der Elternzeit von Müttern und Vätern haben: Weder setzten Mütter hier kürzer aus noch Väter länger. Die allgemeine Personalplanung eines Unternehmens ist dafür umso bedeutsamer: Für Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen ist es gleichermaßen wichtig, dass die Arbeit in Abwesenheit der Mutter oder des Vaters zuverlässig erledigt wird, dass Kolleg*innen nicht überlastet werden und bei der Rückkehr keine unzumutbare Arbeitslast wartet.
Häufig begründeten Väter ihre Zurückhaltung bei der Inanspruchnahme von Elternzeit mit der Sorge vor negativen Karriereauswirkungen. Betrachtet man aber die Aussagen der Väter, die Elternzeit genommen haben, zeigt sich, dass diese Sorge wenig begründet ist: Von negativen Auswirkungen berichteten nur 6 Prozent. Einschränkend muss dazu allerdings angemerkt werden, dass möglicherweise die Arbeitskontexte der Väter, die Elternzeit genommen haben, und jener, die es aus Angst vor Karriereeinbußen nicht taten, unterschiedlich sind. Dass der berufliche Erfolg von Vätern verhältnismäßig unbeschadet von einer Elternzeit bleibt, zeigt sich allerdings auch im Vergleich zu den Karriereauswirkungen von Frauen. Diese berichteten nämlich mit 23 Prozent deutlich häufiger von negativen beruflichen Folgen. Besonders häufig waren diese in Unternehmen, in denen ein traditionelles Rollenverständnis herrscht. In Unternehmen, in denen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen das Gefühl haben, immer „da“ sein und der Erwerbsarbeit Vorrang geben zu müssen, berichteten sowohl Mütter als auch Väter häufiger von negativen Karriereauswirkungen durch ihre Elternzeit. In einem solchen Umfeld scheinen vor allem Frauen benachteiligt zu werden; sie berichten dort deutlich häufiger, dass sich ihre Elternzeit negativ auf ihren weiteren Berufsverlauf ausgewirkt hat, als Männer.
Unsere Untersuchung zeigt, dass die Partnermonate einen Anreiz darstellen, der zwar genutzt, aber selten überschritten wird. Die Politik hat also ein wirkungsvolles Mittel in der Hand, mit der die Aufteilung der Elternzeit zwischen Partnern beeinflusst werden könnte. Aber wir können auch zeigen, dass längst nicht nur politische Rahmenbedingungen relevant sind für die Entscheidung, ob und wie viel Elternzeit genommen wird. Neben der Politik sind auch die Unternehmen gefragt. Ermutigung durch Vorgesetzte, klare Vertretungsregeln, die auch die Kollegen und Kolleginnen derjenigen schützen, die in Elternzeit gehen, helfen insbesondere Vätern, ihren Rechtsanspruch auf Elternzeit und den Bezug von Elterngeld wahrzunehmen. Davon könnten alle profitieren: Nicht nur die Väter und die Kinder, sondern auch die Mütter, die nach der Geburt eines Kindes wieder in ihren Beruf einsteigen wollen.
Samtleben, Claire/Bringmann, Julia/Bünning, Mareike/Hipp, Lena: „What Helps and What Hinders? Exploring the Role of Workplace Characteristics for Parental Leave Use and Its Career Consequences“. In: Social Sciences, 2019, Jg. 8, H. 10. DOI: 10.3390/socsci8100270.
Bernhardt, Janine/Hipp, Lena/Allmendinger, Jutta: Warum nicht fifty-fifty? Betriebliche Rahmenbedingungen von Erwerbs- und Fürsorgearbeit in Paarfamilien. WZB Discussion Paper, SP 1 2016-501. Berlin: WZB 2016.
DGB/David Ausserhofer
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