Deutscher Gewerkschaftsbund

Wir brauchen mehr Frauen* in MINT

Gastbeitrag von Klara Schedlich

Klara Schedlich

DGB / Bruno Poetsch

Klara ist Maschinenbaustudentin an der Technischen Universität in Berlin. Sie engagiert sich außerdem bei Bündnis 90/ die Grünen und ist Vorsitzende im Bezirk Reinickendorf. Dieses Jahr kandidiert sie mit 21 Jahren als jüngste Person für das Berliner Abgeordnetenhaus. Dort möchte sie sich vor allem für Bildungsthemen einsetzen, unter anderem dafür, dass mehr Frauen sich für Berufe im MINT-Bereich entscheiden (Mathematik, Ingenieurswesen, Naturwissenschaften und Technik). Welche Hürden es gibt und was sich verändern muss erzählt sie in diesem Beitrag.

Frauen* sind in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) nach wie vor unterrepräsentiert. In allen Positionen überwiegt der Anteil von Männern, häufig drastisch. Es gibt mehr männliche Professoren, mehr männliche Studierende und mehr männliche Auszubildende. Zwar hat sich im letzten Jahrzehnt der Anteil an Frauen* in diesen Positionen leicht erhöht, der Frauenanteil in meinem Studiengang (Maschinenbau) bei Studienanfang liegt jedoch nach wie vor bei weniger als 20 %. Bei Abschlüssen im gleichen Studiengang ist er noch geringer.

Diese Entwicklung ist viel zu langsam. Eine Gesellschaft, die Geschlechtergerechtigkeit einfordert, muss dafür sorgen, dass Menschen ihre Talente und Fähigkeiten frei von Stereotypen verbessern und fördern können. Dazu gehört auch Frauen* und Mädchen* in ihrem Interesse für eine Ausbildung oder ein Studium in MINT zu unterstützen und sie in ihren Bestrebungen zu stärken. Außerdem verbessert sich das Gesamtergebnis von Gruppenarbeiten in MINT nachweislich, je ausgeglichener das Verhältnis zwischen Männern* und Frauen* ist. Von einem höheren Anteil an Frauen* in diesem Bereich profitieren also alle. Es ist Zeit mehr dafür zu tun.

Ich bin im 5. Semester Maschinenbau und weiß, welche Herausforderungen dieses männlich dominierte Feld birgt. In vielen Kursen bin ich die einzige Frau. Von den wenigen Frauen*, die mit mir begonnen haben, haben die meisten den Studiengang gewechselt. Meine letzte verbliebene Freundin im Studiengang wird dies nun auch tun.

Wenn ich anderen Menschen erzähle was ich studiere, sind die Reaktionen meist so etwas wie „Ach, das ist ja außergewöhnlich für ein Mädchen…“ oder „Wie ist das so, nur zwischen Männern?“. Die wenigsten fragen, ob das Studium Spaß macht oder was mich besonders daran interessiert. Das vermittelt natürlich jedes Mal den Eindruck, es sei ungewöhnlich, wofür ich mich interessiere und das hinterlässt einen seltsamen Nachgeschmack.

Innerhalb des Studiums sieht es leider häufig nicht anders aus: In Gruppenarbeiten wird mir häufig automatisch die Rolle des Aufschreibens zugeordnet, da ich ja bestimmt "die schönste Schrift" hätte. In Kursen wurde ich schon öfters als einzige nochmal extra von Tutoren gefragt, ob ich alles verstanden hätte. Hinter diesen Äußerungen steckt in den meisten Fällen sicherlich keine schlechte Absicht und es besteht bestimmt auch immer die Möglichkeit das in einem Gespräch anzusprechen und auf die Ungleichbehandlung hinzuweisen. Allerdings sollte es meiner Meinung nach für eine Frau nicht zum Curriculum gehören, ständig auf diese Situationen hinweisen zu müssen, sich den Stereotypen aussetzen zu müssen, diskutieren und sich beweisen zu müssen. Diese Aspekte bleiben den männlichen Studierenden in diesem Studium nicht ohne Grund weitestgehend erspart. Und sie machen niemanden zu einem*r besseren Ingenieur*in.

Um diesen Zustand im MINT-Bereich nachhaltig zu verändern braucht es ein gesamtgesellschaftliches Engagement. Es fängt damit an, mit Stereotypen zu brechen, die Frauen* als wenig technikaffin darstellen und endet mit der konkreten Förderung von Frauen* und Mädchen, die sich für MINT interessieren. In dieser Hinsicht ist noch viel Potential unausgeschöpft. Doch wie lässt sich das konkret verändern?

1. Bewusst auf Stereotype achten

Mädchen spielen mit Puppen und Jungs mit Autos, diese Aufteilung wird häufig genauso gefördert. Im Kindesalter werden Jungen an technische Themen herangeführt, ihnen wird gezeigt, wie Fahrradreifen geflickt werden oder wie man einen Nagel in die Wand haut. Bei Mädchen wird das Interesse weniger häufig geweckt oder aufgegriffen. Welche Spielzeuge bekommen Jungen geschenkt und welche Mädchen? Welchen Bewertungen oder Verboten sind Kinder ausgesetzt, wenn sie sich für ein anderes, als das erwartete Themengebiet interessieren? Diese Dynamiken legen den Grundstein für die ungleichen Verteilungen in MINT. Es ist wichtig, Kinder in den Dingen zu bestärken, für die sie sich interessieren, unabhängig davon, ob es in die aktuellen Geschlechterstereotype passt. Mit anderen Worten: auch Mädchen dürfen gerne mit Autos spielen.

Im Schulalter sollte den Stereotypen ebenso entgegengewirkt werden. Wenn Kindern vermittelt wird, dass sie aufgrund ihres Geschlechts bestimmt gut in Mathe oder Kunst seien, fördert das auch das Interesse in diesem Fach. So entsteht eine selbsterfüllende Prophezeiung, die das Selbstbild der Kinder formt. Diese Prägung spiegelt sich dann Jahre später in der Geschlechterverteilung in MINT-Studiengängen oder Ausbildungsplätzen wider. Dass dies nicht das Werk eines Tages ist, ist selbstverständlich. Aber um Mädchen und Frauen* zu ermutigen, sich für MINT zu interessieren braucht es im Kindesalter schon die Möglichkeit, von Stereotypen abzuweichen.

2. Sichtbarkeit von Frauen in MINT

Frauen* haben in der Geschichte maßgeblich zum technischen Fortschritt der Gesellschaft beigetragen. Von der Entdeckung der Struktur der DNA bis zur Mondlandung. Die Anerkennung für ihre Leistung blieb häufig aus. Ausschließlich Männer standen im Vordergrund der Errungenschaft. So ist es auch bei den beiden eben genannten Beispielen gewesen. Frauen*, die keine Anerkennung für ihre Leistungen erhalten, können auch nicht zum Vorbild für zukünftige Generationen von Mädchen und Frauen* werden. Es müssen auch erfolgreiche Frauen* in Schulbüchern und der Pop-Kultur vorkommen, sie müssen sichtbar werden und so zeigen, dass es für Frauen* genauso möglich ist, (in MINT) sehr gute Arbeit zu leisten.

Glücklicherweise ist das eine Spirale, die sich selbst beschleunigt. Je mehr Frauen* in MINT erfolgreich sind, desto mehr Frauen* beschreiten einen ähnlichen Weg. Dieses Jahr wurde der Nobelpreis in Chemie an Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna verliehen. Damit bilden sie leider noch die absolute Ausnahme. Das muss zum Glück nicht so bleiben. Wenn ihre Erfolge sichtbar gemacht und anerkannt werden, kann das viele Frauen* in darauffolgenden Generationen dazu inspirieren, selbst diesen Weg einzuschlagen.

3. Förderung von Einsteigerinnen in MINT

Zu guter Letzt muss auch die Unterstützung für Frauen* gesteigert werden, die sich bereits für eine Ausbildung oder ein Studium in MINT entschieden haben. Es reicht nicht, Frauen* dazu zu bewegen, sich in MINT zu immatrikulieren, wenn sie dann auf sich allein gestellt sind. Es braucht Vernetzungen mit anderen Studentinnen und die Formierung gemeinsamer Interessensgruppen auch mit z.B. Frauenbeauftragten. Außerdem könnten Mentor*innen-Programme ausgebaut werden, die Kontakte zu Frauen* herstellen, die das Studium oder die Ausbildung bereits abgeschlossen haben.

Die hohe Abbruchquote unter Frauen* zeigt, dass die Hochschulen und Universitäten es nach wie vor versäumen, Studentinnen in MINT ein angemessenes Lernumfeld zu ermöglichen. Die Leistungen von Frauen und Männern in diesen Studiengängen unterscheiden sich nämlich nicht.

Insgesamt kann und sollte also noch viel getan werden:

  • Stereotype, die Frauen davon abhalten sich für MINT zu interessieren abbauen.
  • Erfolgreiche Frauen stärken und als Role Models sichtbar machen.
  • Frauen* fördern und ermutigen, einen Weg in MINT einzuschlagen.

Es geht mir nicht darum, dass genau 50 % aller Studierenden im MINT-Bereich Frauen* sein sollen, sondern, dass die Hürden für Frauen* abgebaut und das Interesse an MINT Fächern bei allen gefördert wird. Alle Menschen sollen tun können, worauf sie Lust haben oder worin sie gut sind. Unabhängig davon, ob das zu stereotypen Rollenvorstellungen passt. Ich finde, es ist an der Zeit nachhaltige Veränderungen in MINT einzuleiten, von denen Frauen* und die MINT Branchen profitieren.