Deutscher Gewerkschaftsbund

10.05.2020

10 Tipps, wie man als Mann ein guter Ally* sein kann

Ally = Verbündeter im Kampf für Geschlechtergerechtigkeit

von Fikri Anıl Altıntaş
Anil Altintas

DGB / Shaheen Wacker

Fikri Anıl Altıntaş, 28, ist freier Autor und Projektmanager aus Berlin und schreibt über (toxische) Männlichkeitsbilder, Orientalismus und postmigrantische Themen. Er ist einer von sechs #HeForShe Botschaftern von UN Women Deutschland.

Geschlechtergerechtigkeit ist nicht unbedingt ein Thema, über das Männer gerne oder oft reden. „Das sei ja ein Thema für Frauen, und eigentlich sei in Deutschland alles gerecht“, hört man leider zu oft. Bei mir war es auch nicht anders, ich habe genauso gedacht. Bis zum Studium dachte ich, dass ich alles dafür tat, dass ich Frauen gegenüber fair und respektvoll bin – in allen Bereichen des Lebens.

Das änderte sich mit Mitte 20. Ich brauchte mehrere ernste Gespräche mit Freundinnen und Auseinandersetzungen mit mir selbst um zu verstehen, dass ich privilegiert war. Und um zu erkennen, dass Geschlechtergerechtigkeit nicht einfach passiert, sondern dafür gekämpft werden muss. Das heißt erstmal zu akzeptieren: Durch die Tatsache, dass ich ein Mann bin, bin ich auf allen Ebenen der Gesellschaft bevorzugt gegenüber Frauen. Aber was heißt das?

Ich profitiere von einer Gesellschaft, in der andere für meine Selbstverständlichkeiten benachteiligt werden. Das klingt nach Übertreibung. Ist es aber nicht. Männer haben oft Probleme zu verstehen, dass es Ungerechtigkeiten gibt. Keine kleinen Probleme, sondern strukturelle Benachteiligungen. Deshalb hier 10 Tipps, wie man als Mann Verbündeter im Kampf für Geschlechtergerechtigkeit sein kann. Und weil Geld leider eine Rolle im Leben spielt, aber keine*r darüber spricht, reden wir über die Arbeit und den Markt, der eben nicht alles regelt.

1. Das Wichtigste. Höre zu.

Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, ist es aber leider noch nicht. Zuhören heißt nicht nur, passiv einem Gespräch zu folgen, sondern um aktiv zu verstehen. Männer hören sich gerne selbst reden und fordern, dass ihnen zugehört wird. Warum also nicht das Gleiche bei Frauen tun? Zuhören kann schwierig sein, wenn man sich einem bestimmten Männlichkeitsbild verschrieben hat. Aber es gehört dazu: Nehmt Sorgen, Ängste aber auch Fakten an, wenn ihr damit konfrontiert werdet. Denn der Kampf für Geschlechtergerechtigkeit ist nicht etwas für Frauen, sondern für die gesamte Gesellschaft. Denn von einer geschlechtergerechten Gesellschaft profitieren alle, das zeigen Studien. Also warum nicht gleich anfangen?

2. Erkenne an, dass Männer und Frauen nicht gleichberechtigt sind.

Wenn wir schon beim Zuhören sind: Schon einmal vom Gender Pay Gap, Gender Lifetime Earnings Gap, Gender Pension Gap, oder Gender Care Gap gehört? Ich bis vor kurzem auch nicht. Was kompliziert klingt, ist einfach zu verstehen, und beschreibt vor allem eine große finanzielle Lücke. Im Durchschnitt verdienen Frauen 20 % weniger als Männer. Männer verdienen im Laufe ihres Arbeitslebens insgesamt 49,8 % mehr als Frauen. Dadurch haben Frauen im Durchschnitt auch 53 % (!) weniger Rente als Männer. Wenn wir uns diese Zahlen anschauen, können wir nicht anders, als zu sagen: Es gibt eine Ungerechtigkeit. Sprech darüber, mit deinen Freunden und Arbeitskollegen. Denn das ist nicht „ halt einfach so“, sondern eine Struktur, die verändert werden muss.

3. Hinterfrage Rollenverteilungen.

Frauen und Männern werden in der Gesellschaft bestimmte Verantwortlichkeiten zugesprochen. Männer gehen arbeiten, bringen das Geld nach Hause und Frauen bleiben zuhause und kümmern sich um den Haushalt und die Kinder. Was nach einer veralteten Rollenverteilung klingt, ist oft auch heute leider noch so. Genau diese Vorstellungen sind Gründe dafür, weshalb es besonders im Arbeitsleben große Unterschiede gibt. Denn Rollenbilder und Stereotype beeinflussen die Art und Weise, wie die Politik Gesetze macht und die Gesellschaft formt. Deshalb: Hinterfrage diese Rollenbilder! Männer werden dadurch nicht weniger männlich, im Gegenteil: Es tut ihnen gut, weil sie endlich so leben können, wie sie es sich selbst vorstellen, und keinen starren Rollenbildern mehr folgen müssen, die ihnen sagen, dass sie z.B. die Familie ernähren müssen - das geht auch zu zweit.

4. Care-Arbeit ist auch Arbeit. Teile sie dir.

Care-Arbeit heißt übersetzt Sorgearbeit und meint Pflege-und Fürsorgearbeit, also z.B. Kinderbetreuung, Einkaufen, Putzen, Kochen und Pflege von Angehörigen. Diese Arbeit wird zu einem großen Teil, weltweit zu 75 %, unbezahlt von Frauen erledigt. Sie leisten 52% mehr, in der Regel unbezahlte Fürsorgearbeit als Männer. Fast 1.5 Stunden täglich. Weil diese Rollenvorstellungen immer noch präsent sind, werden dadurch auch Frauen in der Entlohnung und der Rente benachteiligt. Das hat damit zu tun, dass Frauen öfter in Teilzeit gehen, weil davon ausgegangen wird, dass ein Großteil der Fürsorge in Familien geleistet wird. Dadurch gibt es keine entsprechenden öffentlichen und kostenlosen Angebote wie z.B. Kitas. Deshalb, Männer: Fragt nicht ob ihr „helfen“ könnt, teilt euch die Arbeit und sprecht darüber! Und wenn ihr mehr Zeit mit euren Kindern wollt: Bleibt zuhause! Ihr müsst nicht Vollzeit arbeiten, um ein „echter Mann“ zu sein.

5. Übernehme auch den Mental Load.

Wer denkt darüber nach, was noch eingekauft werden muss oder wer die Kinder zum Sport bringt? Diese Fragen, und vor allem die mentale Last, auch Mental Load, tragen vor allem Frauen. Der Begriff umschreibt die mentale Last, die vor allem Frauen mit sich herumtragen. Es muss sichtbarer werden, wer wie viel macht, und wer weniger macht, nämlich Männer. Also: Aufschreiben, aufteilen und gemeinsam darüber nachdenken, was erledigt werden muss.

6. Nimm mindestens die Hälfte der Elternzeit.

Männer haben oft Angst, ihre berufliche Position zu verlieren, wenn sie zu lange Elternzeit nehmen. Die Rolle der Kinderbetreuung wird Frauen zugeschrieben, dabei ist es eine gemeinsame Aufgabe. Macht also keinen zweimonatigen Urlaub in Thailand, sondern verbringe Zeit mit den Kindern! Und nebenbei unterstützt ihr, dass eure Partnerinnen nicht in der Teilzeit-Falle hängen bleiben.

7. Nimm auch Teilzeit-Stellen an.

Ab dem 30. Lebensjahr geht fast die Hälfte aller Frauen in Teilzeitarbeit. Öfter aber unfreiwillig, und das heißt gemäß der gesellschaftlichen Vorstellung: Für die Kinder. Aus einer Teilzeitstelle heraus machen dann nur noch die allerwenigsten Frauen Karriere – und selbst wenn es gelingt, verdienen sie weniger als Männer. Das hat damit zu tun, dass es eine gesellschaftliche Erwartungshaltung an Männer gibt, Vollzeit arbeiten zu gehen, und dass die Partner*innen dann zuhause bleiben- gerade in Zeiten von Corona haben sich diese Zahlen noch einmal bestätigt. Arbeite also auch mal auf Teilzeit! Das sorgt für faire Aufteilung von Sorgearbeit, und gleichzeitig zeigt man dem gängigen männlichen Rollenbild: Ein Mann muss nicht Vollzeit arbeiten, um seine Männlichkeit zu beweisen.

8. Sprich mit Kolleg*innen offen über dein Gehalt.

Stichwort beweisen: Oftmals definieren sich, vor allem Männer, über das Geld, das sie verdienen. Am Arbeitsplatz werden Gehälter in der Regel nicht öffentlich gemacht. Aber auch das muss sich ändern. Denn in Deutschland liegt der durchschnittliche Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern derzeit bei rund 20 Prozent. Damit gehört Deutschland neben Estland zu den zwei europäischen Ländern, in denen Frauen am stärksten wirtschaftlich benachteiligt werden. Deshalb: Fragt nach, ob ihr gleich bezahlt werdet! Oft haben Frauen bessere Qualifikationen, mehr Praktika, mehr Berufserfahrung, kriegen aber trotzdem weniger Geld. Mach dein Gehalt öffentlich und verlange für deine Kolleginnen mindestens das gleiche Gehalt, wenn ihr gleiche Berufserfahrungen habt.

9. Nimm dich zurück und erkenne Expertisen an.

„Ich sag jetzt mal, wie es ist“ - Männer neigen oft dazu, in Gesprächen mehr zu reden und auch zu dominieren. Dadurch haben sie besonders im Arbeitsleben oft zu viel Redeanteil, der ihnen nicht zusteht. Es kommt auch dazu, dass Expertisen gar nicht erst anerkannt werden und beiläufig kleingemacht werden, z.B. durch Kommentare. Auch das muss aufhören. Denn Männer müssen sich für ihre Männlichkeit nicht ständig profilieren, und müssen dann auch nicht ständig beweisen, ob sie richtig liegen. Hört Frauen endlich zu und nehmt euch zurück.

10. Sexismus ist auch dein Problem. Bleib nicht stumm!

Sexualisierte Gewalt in Form von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ist immer noch ein zu großes Problem, und sie geht vor allem von Männern gegenüber Frauen aus. Etwa jede vierte Frau wird an ihrem Arbeitsplatz diskriminiert. Jede dritte Frau gibt an, wegen ihres Geschlechts benachteiligt zu werden. Das ist Sexismus. Nachpfeifen, anstarren, sexuelle Anspielungen machen, aber auch Frauen beim Reden unterbrechen oder wiederholen, was sie schon gesagt haben - all das ist problematisch. Und oftmals wehren sich Frauen nicht dagegen, weil z.B. Abhängigkeitsverhältnisse im Beruf bestehen und sonst der Verlust des Jobs droht. Deshalb: Sexismus benennen, sich bei eigenem Fehlverhalten entschuldigen. Und wenn ihr Sexismus gegenüber Kolleginnen, z.B. von Vorgesetzten seht: Sprecht es an, ohne euch heroisch dazwischen zu stellen und fragt, wie es der betroffenen Person geht.

*Was ist ein Ally? Allys sind Verbündete oder Unterstützer*innen. Es sind Personen, die nicht selbst Teil einer Community oder von Diskriminierung betroffenen Menschen sind, diese aber aktiv unterstützt. In unserem Fall: Männer als Verbündete im Kampf für mehr Geschlechtergerechtigkeit.

Anil Altintas

DGB / Shaheen Wacker