Deutscher Gewerkschaftsbund

04.03.2020

Was ist das eigentlich mit dem Geld?

von Laura Melina Berling
Laura Melina Berling

DGB/Was verdient die Frau?

Laura Melina Berling alias Lina schreibt in ihrem persönlichen Gastbeitrag über das Thema Finanzen. Ansonsten bloggt sie auf littlefeministblog.

Das Thema Geld hat mich mein Leben lang nicht besonders beschäftigt. Eigentlich wundert mich das, da ich von Kindheit an die Erfahrung gemacht habe, dass es ein großes Problem ist, wenn Geld fehlt. Ich wuchs bei meinem alleinerziehenden Vater auf und eine Weile gab es nicht viel außer Nudeln mit Tomatensauce zu essen. Für mehr reichte das Geld eben nicht. Ich erinnere mich auch daran, dass ich einmal sehr erleichtert war, als ich merkte, dass die Eltern meiner Freund*in Hannah auch im Aldi einkauften. Sie hatten, anders als wir, ein schönes Haus, ein schickes Auto und einen sehr aufgeräumten vollen Kühlschrank. Eigentlich dachte ich, nur Menschen wie wir kaufen bei Aldi ein. Unaufgeräumte, chaotische, etwas ärmere Menschen. Alle anderen, Annika, Meike, Theresa und Anne hatten zudem das gleiche neue T-Shirt und den gleichen coolen Ranzen und die schicken Schuhe, die ich mir nicht leisten konnte. Ich hatte die billigere, schlecht imitierte Version von C&A oder aus unserem Italien Urlaub. Ich hatte keine 4you, sondern einen Four You, den wir an einer Raststätte in Ligurien gekauft hatten- war eben billiger. Für all das habe ich mich ab und zu geschämt. Ich habe mich geschämt, dass all meine Dinge alt und zerbeult waren, dass mein Pausenbrot manchmal schon verschimmelt war, dass ich keine fancy Brotdose hatte, sondern nur Alufolie. Trotzdem hatte ich irgendwie immer das Gefühl, dass das alles nicht so schlimm ist. Dass wir vielleicht nicht so ordentlich und schick sind, aber irgendwie witzig und liebevoll. Dass das mit dem Geld schon wird. Es gab doch irgendwie immer genug. So gehe ich bisher auch durch mein Leben. Es wird schon genug sein und es wird schon klappen. Diese Einstellung habe ich generell nicht, aber bei Geld schon.

Nun habe ich aber beschlossen, dass ich das Geld in meinem Leben trotzdem noch einmal genauer betrachten möchte. Gründe dafür, gibt es viele! Zum einen wird weiblich sozialisierten Personen oft verwehrt, in finanzieller Unabhängigkeit zu leben. Die Istanbul Konvention definiert finanzielle Gewalt als einen unsichtbaren Teil häuslicher Gewalt und privater Unterdrückungsverhältnisse. So werden Menschen, zumeist Frauen in finanzieller  Abhängigkeit gehalten, um z.B. eine Ehe oder Beziehung nicht beenden zu können. Weniger drastisch, aber trotzdem problematisch ist es, dass viele sich nicht trauen, ihr Gehalt zu verhandeln, überhaupt über Geld zu sprechen oder ihre Arbeitskraft als wertvoll anzuerkennen. Ich habe hunderte Jobs ohne Bezahlung gemacht. Um Erfahrungen zu sammeln, weil es z.B. im Theaterbereich nicht anders geht, weil ich Arbeitserfahrung brauchte, weil es in vielen Bereichen als selbstverständlich gilt, weil niemand mir das Gefühl gegeben hat, meine Arbeit sei etwas wert- und das, obwohl ich zwei Hochschulabschlüsse habe.

So viele Menschen, vor allem Menschen, die eine weibliche Sozialisation erfahren, die Migrationsgeschichte haben, die nicht im binären System (männlich und weiblich als einzige Option der geschlechtlichen Identität) leben, arbeiten für Niedriglöhne und erfahren eine Aberkennung ihres Wertes durch finanzielle Umstände. Dies ist eine Systemfrage, die nicht individuell gelöst werden kann. Überhaupt die Zeit zu finden, sich mit seinen Finanzen auseinanderzusetzen, Anzulegen, zu sparen, Finanzpläne aufzustellen etc. ist ein hohes Privileg. Es verlangt Zeit, Wissen, Bildung, Anerkennung und Möglichkeiten.

"Wir versuchen gemeinsam, einen Überblick darüber zu bekommen, wer wie viel verdient, ob das fair ist, wie man wo sparen kann oder muss, wie man für sich (vor-)sorgen kann und wie man besser über Gehalt verhandeln kann."

Deshalb versuche ich viele Themen in Gruppen und nicht individuell zu behandeln. Es braucht gegenseitige Unterstützung, um sich mit Themen auseinanderzusetzen, in denen man strukturelle Benachteiligung erfährt. Scham kann nur gemeinsam abgebaut werden. Nicht alleine. In vielen Finanzratgebern, dich sich an eine weibliche Leser*innenschaft wenden, wird empfohlen, sich mit dem Partner und der Familie über Finanzen auszutauschen. Doch nicht alle Menschen haben eine Partner (manche haben z.B. eine Partner*in oder führen keine Beziehung) und auch familiäre Unterstützung ist nichts Selbstverständliches. Ich treffe mich z.B. regelmäßig mit Freund*innen, um über Finanzen zu sprechen. Wir versuchen gemeinsam, einen Überblick darüber zu bekommen, wer wie viel verdient, ob das fair ist, wie man wo sparen kann oder muss, wie man für sich (vor-)sorgen kann und wie man besser über Gehalt verhandeln kann. Ziel ist es, sich unabhängiger zu fühlen, möglicher Ausbeutung entgegenzuwirken, sich zu empowern, selbstwirksam zu werden und Kontexte zu ermöglichen, in denen man sich nicht alleine fühlt. Seitdem wir damit begonnen haben, hat sich bei mir eine Menge verändert. Ich habe Tabellen mit Ein- und Ausgaben, meine Steuererklärung geht so super schnell, ich spreche das Thema viel offener an, ich fühle mich organisierter und selbstbewusster, ich habe ein Sparziel, ich weiß, was Anleihen und ETFs sind. Kein Mann muss es mir erklären, kein Mann muss für mich sorgen. Trotzdem bin ich nicht alleine.

Auch wenn dies keine Lösung für strukturelle Ungleichheit ist, ist es doch ein Anfang, sich Themen gemeinsam anzueignen. Will Mensch bzw. Frau sich also mit Geld beschäftigen, empfehle ich es, sich nach Unterstützung umzusehen und selbst Unterstützung anzubieten- auch außerhalb des Rahmens  “Partnerschaft und Familie”. Denn auch eine Gemeinschaft aus Freund*innen, Frauen, politisch interessierten Menschen, ist eben eine wichtige Gemeinschaft. Auch kleine Treffen alle paar Wochen können eine Menge bewirken. Geteiltes Wissen und geteilte Kraft schaffen Unabhängigkeit und machen das große Thema Geld und die Sorgen darum etwas kleiner.

Laura Melina Berling

DGB/Was verdient die Frau?