Weit mehr als 7 Millionen Menschen arbeiten heute in Minijobs – zwei Drittel davon sind Frauen. Wirtschaftliche Unabhängigkeit ist in diesen Jobs mit einem Entgelt von bis zu 450 Euro im Monat gar nicht erst vorgesehen – sind Minijobs wirklich so gut/schlecht wie viele sagen?
DGB/Simone M. Neumann
Der Arbeitsmarkt wird zunehmend heterogener: Das sogenannte „Normalarbeitsverhältnis“ – definiert als unbefristete, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Vollzeit mit existenzsicherndem Einkommen – wird trotz aller konjunkturellen Bewegungen immer seltener. So vielfältig die Gründe für diese Entwicklung sind, das Ergebnis ist laut dem Wirtschafts- und Sozialforschungsinstitut (WSI) der Hans Böckler Stiftung eindeutig: „Zwei Jahrzehnte Flexibilisierung: Ein Drittel arbeitet atypisch.“ (WSI 2012)
In Deutschland ist Teilzeitarbeit eine Frauendomäne: 85 % der Teilzeitbeschäftigten sind Frauen. Jede zweite erwerbstätige Frau arbeitet in Teilzeit, unter denen in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung ist es jede Dritte.
Eine besonders prekäre Form weiblicher Teilzeitbeschäftigung mit hohem Missbrauchspotential sind die Minijobs. Weit mehr als 7 Millionen Menschen arbeiten heute als Minijobber/innen – zwei Drittel davon sind Frauen. Wirtschaftliche Unabhängigkeit ist in diesen Jobs mit einem Entgelt von bis zu 450 Euro im Monat gar nicht erst vorgesehen – Wirtschaftliche Unabhängigkeit sieht allerdings anders aus!
Doch warum arbeiten so viele Frauen als Minijobberinnen? Sind all diese Arbeitnehmerinnen sogenannte „Zuverdienerinnen“, die im Sinne eines konservativen Familienleitbilds, einen geringfügigen Beitrag zur Aufbesserung der ansonsten gut gefüllten Familienkasse leisten? Ja und Nein muss die Antwort an dieser Stelle lauten, darauf weisen Christina Klenner und Tanja Schmidt hin:
„Insbesondere für verheiratete Mütter erscheinen Minijobs vor dem Hintergrund der wohlfahrtstaatlichen Regelungen sowie der Bedingungen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in einer kurzfristigen Perspektive auf den ersten Blick attraktiv oder zumindest als annehmbar“ (Klenner/Schmidt 2012: 3)
Doch ein wachsender Anteil an Frauen, versorgt nicht nur sich, sondern auch ihre Kinder mit 450 Euro im Monat. Minijobs sind ein Bestandteil eines sich ausweitenden prekären Arbeitsmarktes, der weder die eigenständige Existenzsicherung noch die Versorgung von weiteren Angehörigen ermöglicht und diskontinuierliche Erwerbsbiografien fördert.
Dennoch sind beide Varianten nicht ohne Risiko. Auch Frauen, die freiwillig im Minijob arbeiten und aktuell relativ abgesichert durch das Einkommen der Partner/in sind, laufen Gefahr über den Lebensverlauf diese abgeleitete Absicherung zu verlieren. Sei es durch den Verlust des Arbeitsplatzes der Partner/in, einer Trennung oder durch das gegenwärtige Unterhaltsrechts nach einer Scheidung (vgl. Klenner/Schmidt 2012: 2).
Aktuelle Befunde zeigen deutlicher als je zuvor: Eine Brückenfunktion in den ersten Arbeitsmarkt, in Vollzeitbeschäftigung mit ausreichendem Einkommen, ist nicht erkennbar: Sind Frauen erstmal in einem Minijob, kleben sie darin regelrecht fest – oft gegen ihre Wünsche und ursprünglichen Pläne. Nur 9 % der Minijober/innen gelingt ein Wechsel in ein sozialversicherungspflichtiges Vollzeiterwerbsverhältnis.
Diese Befunde machen mehr als deutlich, dass der Sektor der geringfügigen Beschäftigung längstens zu reformieren ist. Darauf wiesen schon die Expert/innen des ersten Gleichstellungsberichts aus dem Jahr 2011 hin. Wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen kann nur gelingen, wenn die Rahmenbedingungen dazu geschaffen werden!
Deswegen ist der Sektor der geringfügigen Beschäftigung nachhaltig zu reformieren. Auch Arbeitnehmer/innen, die in kurzer Teilzeit arbeiten, müssen einen Anspruch auf soziale Absicherung ab der ersten Arbeitsstunde haben. Nur so lässt sich langfristig das Ziel der wirtschaftlichen Unabhängigkeit für Frauen und Männer in Deutschland erreichen.
Dennoch werden Arbeitssuchende im SGB II in diese Form der Beschäftigung vermittelt – oft mit der Folge, dass sie ihr schmales Einkommen über staatliche Transferleistungen (Hartz IV) „aufstocken“ müssen.